Übersetzen des „Fremden“

21. 6. 2013

In einigen bisherigen TransStar-Blogeinträgen wurde über das „Fremde“ geschrieben und auch zahlreiche Übersetzungswissenschaftler befassten bzw. befassen sich mit der Frage, was mit dem Fremden beim Übersetzen passiert. Lawrence Venuti stellt z.B. in seiner Monographie mit dem Titel The Translator’s Invisibility: A History of Translation (1995) fest, dass es oft zur Assimilation des Fremden kommt; die Elemente, die das Publikum in der Zielkultur als zu fremd empfinden könnte, werden „domestiziert“. Die Leser und die Leserinnen sollen also die Übersetzung so lesen können, als ob sie in der Zielsprache verfasst wäre – der Übersetzer soll „unsichtbar“ bleiben. Falls ein übersetztes Werk dem Zielpublikum zu fremd erscheint bzw. dessen Erwartungshorizont zu weit überschreitet, bleibt es nämlich oft übersehen – ist kommerziell nicht erfolgreich.

Die Shifts beim Übersetzen sind oft auch ideologisch bedingt; viele fremde Werke enthalten Ideen, die für die gegenwärtige Ge­sell­schafts­ordnung potentiell gefährlich sein könnten, deshalb werden diese beim Übersetzten zensuriert. Im Falle, dass sich z.B. das politische System ändert, können Ideen, die bisher nicht akzeptabel waren, plötzlich in übersetzten literarischen Werken erwünscht sein – und umgekehrt. Mit dieser Problematik befassen sich z.B. Venuti in The Scandals of Translation: Towards an Ethics of Difference (1998) und Nike K. Pokorn in Post-Socialist Translation Practices: Ideological Struggle in Children’s Literature (2012).

In gewissem Maße muss ich Venuti, der die Verfremdung beim Übersetzen befürwortet, zustimmen. Das Fremde in einer Übersetzung gibt dem Zielpublikum Einsichten in fremde Kulturen und kann die Leser und Leserinnen dazu anregen, dass sie noch mehr über die andere Kultur erfahren wollen. Solche Übersetzungen tragen somit zu einem größeren interkulturellen Verständnis bei und verbinden „fremde Welten“.

von Janko Trupej

Newsletter

Blog

Übersetzungswürfel

Translating cube

Veranstaltungen

Events