Andrzej Kopacki

3. 12. 2015

09_FotoAndrzej Kopacki

„Eine Übersetzung muss sexy sein.“ Sagt er. Zwar hält er nichts von dem Satz „Die Übersetzung soll wie Lebensgefährte / -gefährtin sein: treu und schön“, aber sexy: das eben doch. Wenn man Andrzej Kopacki sprechen hört, ist schnell klar, worum es ihm geht: die Übersetzung soll ein eigenständiges literarisches Produkt sein. Wie es dazu kommt zeigt er in einem auf praktischer Erfahrung beruhenden Vorschlag, der fünf Punkte beinhaltet, die Übersetzung mit dem Theater vergleicht und dazu dienen soll, sie aus der Unterwelt ans Licht zu befördern. Die Essenz dieser Theorie1 lautet, die Übersetzung sei 1.) ein performatives Phänomen, 2.) interpretatorisch, 3.) totalistisch, 4.) begrenzt frei, und 5.) eine eigenständige literarische Gattung mit literarischer Vorlage. Entsprechend spielt der Übersetzer als Autor des neuen, zielsprachlichen Textes eine wichtige Rolle.

Andrzej Kopacki ist jemand, der mit den Möglichkeiten seiner eigenen Sprache, dem Polnischen, arbeiten will, um gleichzeitig aber dafür zu sorgen, dass wichtige Texte aus dem Ausland nach Polen gelangen. Er ist Germanist, Dozent an der Universität Warschau, dazu Übersetzer aus dem Deutschen und Autor. Nebst einem Kinderbuch sind in Polen vier Essaybände über die deutschsprachige Literatur und zwei Gedichtbände erschienen und in Zusammenarbeit mit seiner damaligen Übersetzerin Doreen Daume (s. Übersetzer des Monats Mai 2013) zwei jeweils zweisprachige Gedichtbände in Deutschland. Wenn er übersetzt dann meist für die polnische Literaturzeitschrift Literatura na Świecie, bei der er auch stellvertretender Chefredakteur ist. Die Zeitschrift hat das Privileg, weil gefördert, Übersetzungen aus unterschiedlichen Sprachen zu veröffentlichen, in der Regel Gedichte, Essays, Kurzprosa, selten Romanfragmente oder ganze Romane, für die im polnischen Buchmarkt kein oder wenig Platz ist.

Falls es hier scheint, das Übersetzen sei nur eine Nebentätigkeit, möchte ich das damit erklären, dass Kopacki sich als Übersetzer wie als Autor als Produzent polnischer Texte sieht und beide Tätigkeiten hinsichtlich der kreativen Anstrengung zusammengefasst werden können. Nicht umsonst, sagt er, sei sein wichtigstes veröffentlichtes Buch nicht eines seiner eigenen, Gedichte oder Essays, sondern Walter Benjamins Ursprung des deutschen Trauerspiels2, das er ins Polnische übersetzt hat. Er sagt tatsächlich „sein Buch“. Wörtlich. Egal, was aus seiner Feder stammt, der Ursprungstext oder die Übersetzung.

Zum Abschluss eine Übersetzung von Andrzej Kopacki, die ich besonders schätze, ein Fragment aus einem der Collagen-Gedichte von Herta Müller. Der technischen Möglichkeiten wegen wird hier auf die Originaldarstellung des Texts, der aus Zeitungsausschnitten besteht, verzichtet und nur der Wortlaut der letzten zwei Zeilen wiedergegeben3:  „auf der Treppe zum Kanal lief dabei bloß / ein Lachwind los.“ Des Deutschen dürfte jeder, der das hier liest, mächtig sein, und es braucht keine Polnischkenntnisse, um zu sehen, dass die Aufgabe nicht einfach ist. Die Übersetzung lautet so: „na schodach do kanału szkwał tylko / śmiać się śmiał“ Für eine Analyse der Übersetzung ist hier nicht der richtige Ort. Gesagt sei nur so viel: Sie ist sexy, ohne Zweifel.

 von Marlena Breuer

Kommentare:

1) Auf Polnisch nachzulesen in: Andrzej Kopacki: Przekład jako byt sceniczny. In: Ders.: Muszle w kapeluszu. Szkice, rozmowy, recenzje. Wrocław 2012, S. 112-116.

2) Poln: Walter Benjamin: Źródło dramatu żałobnego w Niemczech.  Warszawa 2013.

3) Das Zitat sowohl des Originals als auch der Übersetzung stammen aus der Zeitschrift Literatura na Świecie Nr. 1-2 2014, S. 133 und 134.

 

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