Einführung in das Kulturmanagement: Antje Contius, Alida Bremer und Amalija Maček im Gespräch mit Schamma Schahadat
Antje Contius, die Geschäftsführerin der S. Fischer Stiftung und freie Lektorin für osteuropäische Literaturen für Verlage in Österreich, Deutschland und der Schweiz, eröffnete die Vorlesung zum Kulturmanagement und hielt einen Vortrag, in dem sie mehrere Stiftungen vorgestellt hat. Das Publikum hatte die Gelegenheit von verschiedenen Projekten, Staatsinitiativen, Partnerschaften und staatlich-bilateralen Kulturbegegnungen zu hören. Die TeilnehmerInnen konnten aus konkreten Beispielen erfahren, wie sie änliche Programme auch selbst managen können. Besonders informativ war die Geschichte von der Gründung des S. Fischer Verlags, dessen Tätigkeiten im Jahr des 128-jährigen Jubiläums für alle in der Branche noch immer inspirierend sind. Das Unternehmen ist heute eines der bedeutendsten deutschen Häuser für Belletristik. Von Anfang an veröffentlichte der Verleger zeitgenössische Autoren sowie Werke der Weltliteratur. Schwerpunkte vom heutigen Programm (Politik, Natur- und Gesellschaftswissenschaften, Geschichte, Psychologie) knüpfen an die Tradition des Hauses an. Neben deutschsprachigen und internationalen Gegenwartsautoren beinhaltet es auch einen Sachbuchbereich und Moderne Klassiker. Der heutigen Unternehmensgruppe unterstehen die Verlage Fischer Taschenbuch, Krüger Verlag, Scherz Verlag, Fischer FJB und Fischer Kinder- und Jugendbuchverlag; seit 2013 genauso die Kinderbuchprogramme Fischer KJB, Sauerländer, Meyers Kinderbuch und Duden Kinderbuch.
Um den TeilnehmerInnen beizubringen, wie ein multilaterales Labor entsteht, sprach Contius im zweiten Teil des Vortrags von Traduki, einer bunten Matrix, die als ein partnerschaftliches Projekt entstanden ist. Dieses europäische Netzwerk versammelt zwölf Sprachen und kooperiert intensiv am Buchmarkt mit Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Deutschland, Kosovo, Kroatien, Liechtenstein, Mazedonien, Montenegro, Österreich, Rumänien, der Schweiz, Serbien und Slowenien. Das Übersetzungsprogramm von Traduki, das vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten der Republik Österreich, dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, dem KulturKontakt Austria, dem Goethe-Institut und der S. Fischer Stiftung initiiert wurde, bemüht sich, dass die Literatur und Bücher von Autoren aus den oben erwähnten Ländern in die eine oder andere Zielsprache kommen.
von Bojana Bajić
Die in Münster lebende Literaturwissenschaftlerin, Autorin und Übersetzerin aus Split Alida Bremer teilte mit den NachwuchsübersetzerInnen ihre reichen Erfahrungen als Literaturvermittlerin und -förderin. Ihre Darlegungen eröffnete sie mit einem konkreten Beispiel ihres Engagements, nämlich mit dem umständlichen Prozess, welcher der Veröffentlichung ihrer Übersetzung des Gedichtes „Krakow, Kazimierz“ von Delimir Rešicki voranging.
Delimir Rešicki gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Dichter Kroatiens, war aber im deutschsprachigen Raum eher unbekannt. Um ihn dort vorstellen zu können, verfasste Alida Bremer ein Portfolio mit biographischen Skizzen und Probeübersetzungen und sprach bei dem deutschen Publizisten Norbert Wehr vor. Literaturzeitschriften spielen in diesem Prozess eine sehr wichtige Rolle. Nach der Veröffentlichung bekamen Rešickis Gedichte sehr gute Kritiken in den deutschen Medien.
Ohne Literaturagenten komme man als Prosaautor schwer an große deutsche Verlage. Lyrik oder Theaterstücke werden auf andere Art vermittelt, vor allem Lyrik hat es dabei besonders schwer, so Bremer.
Ein Fall für sich sei die weltbekannte kroatische Dramaturgin Ivana Sajko. Im Februar und im März 2008 schrieb sie gemeinsam mit Alida Bremer, Delimir Rešicki und Edo Popović den Blog Kroatisches Quartett für Arte TV. In demselben Jahr war Alida Bremer als Leiterin des von der Robert Bosch Stiftung unterstützten Projektes „Kroatien als Schwerpunktland zur Leipziger Buchmesse“ tätig. Nach vielen kleinen Schritten und kostenlosen Dienstleistungen ihrerseits gelang es Alida Bremer innerhalb von nur zwei Jahren 40 Neuerscheinungen (darunter einige Sammelbände, Sondernummern von Zeitschriften, Publikationen über Kroatien und neue Auflagen alter Übersetzungen) der kroatischen Literatur in Deutschland anlässlich der Leipziger Buchmesse zu veröffentlichen. Von der Größe dieses Erfolges zeugt die Tatsache, dass in den letzten 150 Jahren insgesamt nur 90 Werke der kroatischen Belletristik auf Deutsch erschienen sind.
Eine Erfolgsgeschichte ist auch der kroatische Autor Edo Popović, der mittlerweile im deutschsprachigen Raum mit sechs ins Deutsche übersetzten Büchern ziemlich bekannt ist. Dazu trug bei, erklärte Bremer, dass er bestimmte Marketingerwartungen erfüllte: Er gehört zur Rock-and-Roll-Generation, arbeitete als Kriegsreporter, schreibt realistisch, postsozialistisch und, im Unterschied zu vielen anderen Autoren, die nicht einmal Englisch können – spricht er sogar Deutsch. So konnte er zusammen mit seinem deutschen Pendant und anfänglichen „Lockvogel“ fürs Publikum Clemens Meyer an den Lesungen in Deutschland erfolgreich teilehmen.
Doch diese Geschichte ist eher ein Einzelfall unter zahlreichen Versuchen, deutsche Verlage auf kroatische Autoren aufmerksam zu machen. Diese Arbeit sei oft mühsam und enttäuschend, weil 90% der Bemühungen in dieser Richtung einfach misslingen würden. Trotzdem rät Alida Bremer, an Autoren, die man fördern will, zu glauben, und nicht gleich aufzugeben, weil große Verlage eben nicht leicht zu gewinnen sind.
Alida Bremer ist außerdem freie Mitarbeiterin der S. Fischer-Stiftung und des Netzwerks Traduki, und ihre fördernde Arbeit bezieht sich nicht ausschließlich auf kroatische Autoren, sondern auch auf montenegrinische, bosnische, serbische und slowenische. So ist für die Leipziger Buchmesse ein Hörbuch mit dem Titel „Ihr werdet noch von uns hören!“ enstanden, eine Doppel-CD mit den Aufnahmen von übersetzten Werken von 15 AutorInnen aus diesen Ländern.
Durch dieses umfangreiche Projekt konnten sich auch manche ÜbersetzerInnen etablieren und zur deutschen Stimme der jeweiligen AutorInnen werden. Diesbezüglich warnte Bremer, dass AutorInnen manchmal zu hohe Erwartungen an eine Übersetzung haben und oft sehr enttäuscht sind, wenn das Buch keinen Verlag findet oder ohne Erfolg bleibt. Es kann passieren, dass der Misserfolg dann dem/der ÜbersetzerIn vorgeworfen wird, da erwartet wird, dass er/sie nicht nur übersetzt, sondern auch als AgentIn agiert, obwohl er/sie dazu gar nicht ausgebildet ist. Da auf dem deutschen Büchermarkt eine ziemlich gnadenlose Konkurrenz herrscht, für die junge ÜbersetzerInnen normalerweise nicht formell vorbereitet werden, ist die Möglichkeit, Erfahrungen wie diejenigen Alida Bremers zu hören, als eine wertvolle Lektion zu betrachten.
von Ana Pranjković
Amalija Maček begann ihre Ausführungen zum Literatur- und Kulturmanagement in Slowenien mit der einfachen und arglosen Aussage, es gehe stets um Menschen und Bücher. Die tatsächliche Situation auf dem Büchermarkt in Slowenien, wie sie Maček darstellte, sah schliesslich nicht ganz so einfach aus. Und doch brachte Mačeks Vortrag neben vielen informativen Details auch Inspirierendes.
Für das Publikum, das sich zu einem grossen Teil aus Übersetzerinnen und Übersetzern und solchen, die es werden wollen, zusammensetzte, bargen die einleitenden Statistiken einige Überraschungen. Scheinbar erscheinen in Slowenien ebensoviele Übersetzungen wie Neuerscheinungen. Ob das daran liegt, dass die Slowenen selber keine Erzähler seien und aufgrund einer fehlenden Streitkultur wenig offene Kritik an andern äussern, wie Maček beteuerte? Auch die weitgehend staatlich geregelte Übersetzerförderung imponierte. Neben einem slowenischen Übersetzerverband und Workshops werden verschiedene Preise und Stipendien (z.B. das Schritte-Stipendium) an Übersetzende verliehen.
Schwierig gestalte sich aber die Vermittlung slowenischer Autoren im deutschsprachigen Raum: Zu wenig exotisch, zu klein und zu viel Lyrik (ebenfalls eine Folge des fehlenden Erzählertalents?) – das seien die Merkmale, die in deutschen Augen Slowenien prägten und die für die Vermarktung slowenischer Autoren wenig Anhaltspunkte biete. Auch der slowenische Schwerpunkt in Leipzig wäre deshalb viel kleiner als derjenige seiner exjugoslawischen Brüder und Schwestern. Hier folgte ein Tip: Oft ermögliche es die Kombination von unbedeutenden mit bedeutenden Autoren ein grösseres Publikum anzuziehen. Sie habe auch schon Miklauš Komer zusammen mit Slavoj Žižek auftreten lassen.
Am Schluss ihres Beitrags ging Maček genauer auf die größte slowenische Minderheit im deutschsprachigen Raum ein, die in Kärnten beheimatet ist und im deutsch-slowenischen Literaturbetrieb eine signifikante Rolle spielt. Kärnten ist aus mehreren Gründen gleichzeitig Himmel und Hölle für die Literaturschaffenden. Die Region erfährt im slowenischen Vergleich die intensivste finanzielle Kultur-Unterstützung, vom slowenischen Mutterland an die ‚Enklave’ und von Österreich an die ethnische Minderheit, weswegen auf diesem Gebiet die größoten slowenischen Literaturverlage walten. Das Problem dabei, es fehle diesen Verlagen nicht nur an Qualität und Kompetenz, auch der Vertrieb laufe gegen Null, nicht zuletzt gerade wegen der mangelhaften Qualität. Wichtige Förderungsgelder würden also in schlecht übersetzten und schlecht gestalteten Büchern, die in ganzen Auflagen in Lagern verstauben, verschwinden. In letzter Zeit seien dagegen aber neue Initiativen geboren worden. Zum Beispiel die „Slowenische Bibliothek“, eine Zusammenarbeit von zeitgenössischen Übersetzenden, die Neuübersetzungen der wichtigsten slowenischen Bücher herausbringen und die Verlage dabei vielseitig unterstützen. Es bleibt zu hoffen, dass solche Initiativen die in vielem bereits angelegte fruchtbare interkulturelle Literaturarbeit zwischen dem slowenischen und dem deutschsprachigen Raum weiter verstärken.
von Anna Hodel