Schon im alten Ägypten existierte unter den Namen „Dragomane“ eine Berufsgruppe der Übersetzer bzw. Dolmetscher, aber einer der ersten, der sich mit den theoretischen Aspekten des Übersetzens auseinandergesetzt hat, war Marcus Tullius Cicero (106–43 v. u. Z.). In einem Aufsatz mit dem Titel „De Optimo Genere Oratorum“ befasste sich dieser altrömische Gelehrte mit der Frage, welche die beste Art der Rhetorik ist und im Rahmen dieser Problematik berührte er auch das Übersetzen. Er erklärte, dass er griechische oratorische Texte nicht Wort für Wort übersetzt, sondern dass er die Figuren und Gedanken im Lateinischen so wiedergibt, dass sie für den Leser bzw. Hörer natürlich klingen, wobei er darauf achtet, dass die beiden Texte auch stilistisch ähnlich sind.
Jahrhunderte später wurde dem Kirchenvater Sophronius Eusebius Hieronymus (347–420 u. Z.) vorgeworfen, dass er in einer seiner Übersetzungen einige Ausdrücke nicht korrekt übersetzte. In einem Brief (heute unter dem Titel „Über die beste Art zu übersetzen“ bekannt) adressiert an Pamacchius, einen seiner Freunde, verteidigte Hieronymus seine Übersetzungsstrategie unter anderem mit einem Zitat von Cicero und behauptete, dass er so wie jener nicht Wort für Wort, sonder Sinn für Sinn übersetzt. Er bezog sich zudem auf die Übersetzungen von Horaz, Terenz, Plautus und Caecilius, die ähnliche Übersetzungsstrategien gehabt haben sollen. Im Weiteren verdeutlicht er mit zahlreichen Beispielen aus der Septuaginta, dass sogar beim Übersetzen der Bibel nicht auf einzelne Wörter geachtet wurde, sondern dass der Sinn wiedergegeben wurde.
Im 16. Jahrhundert musste auch Martin Luther (1483–1548) seine Art des Übersetzens vor Kritiken verteidigen. Als er beschuldigt wurde, dass er beim Übersetzen der Bibel eigenwillig Elemente zufügte, antwortete er in einem Brief, der uns heute als „Sendbrief vom Dolmetschen“ bekannt ist, dass er nur den Text der Zielsprache angepasst hat; er wollte, dass der Text im Deutschen natürlich klingt, so dass ihn auch gewöhnliche Menschen verstehen können.
In späteren Jahrhunderten haben sich zahlreiche Übersetzungstheoretiker – vor allem jene, die das Zielsprachlich orientierte Übersetzen befürworteten – auf die Ansichten von Cicero, Hieronymus und Luther gestützt, deshalb könnte man diese drei Autoren zu den Urvätern der Translationswissenschaft zählen.
von Janko Trupej