Übersetzungswürfel – sechs Seiten europäischer Literatur und Übersetzung
6.–10. Mai in Tübingen
Reinold Hermanns für SWR2 Journal am Mittag, 8.5.15
Hören Sie die Sendung hier.
Anmod:
TransStar Europa ist ein internationales, von der EU mitgetragenes Literatur- und Übersetzungsprojekt. Sein Schwerpunkt liegt auf Ost-Mittel- und Südosteuropa; das Projekt fördert diverse Seminare, Workshops, Diskussionen und Kulturveranstaltungen. In Zusammenarbeit mit dem Slavischen Seminar der Universität Tübingen veranstaltet TransStar bis kommenden Sonntag in Tübingen den sogenannten „Übersetzungswürfel“ , mit acht Autorinnen und Autoren aus sowie 20 Übersetzerinnen und Übersetzern aus sieben Ländern; Reinold Hermanns war Mittwoch abend bei der Eröffnung dieses speziellen Literaturfestivals dabei:
HE:
Zum Auftakt Grundsätzliches: Schon „Schreiben“ selbst ist ein Übersetzen, nämlich das Überführen von „Welt“ in Literatur. Das Übertragen von einer Sprache in eine andere ist so gesehen ein zweites Übersetzen, im Sinne des Über-Setzens von einem sprachlichen Ufer zum anderen.
Im Fokus des Tübinger Festivals steht die osteuropäische Literatur – aus gutem Grund, denn da gibt es Nachholbedarf. Schamma Schahadat, Professorin am Slavischen Seminar der Uni Tübingen, Leiterin von TransStar Europa:
O-Ton Schahadat 1:
Man guckt nach Frankreich, man guckt nach Spanien, nach Portugal oder auch nach Griechenland, aber man guckt ganz wenig nach Osten, und irgendwie ist der Eiserne Vorhang, den es ja eigentlich nicht mehr gibt, immer noch, mental, glaube ich, da. Und das möchten wir gerne überbrücken.
HE:
Im Fokus des „Übersetzungswürfels“ deshalb gerade die osteuropäischen Sprachen:
O-Ton Schahadat 2:
Wir hatten die Vorstellung ein Netzwerk zu schaffen, indem wir verschiedene Sprachen und Kulturen zusammenbringen; und dann geht es uns um die Ausbildung von Kulturvermittlern und Übersetzern, die aus diesen kleinen Sprachen und in diese kleinen Sprachen übersetzen können. Unser Ziel ist insgesamt, diese Sprachen und Kulturen auf der mentalen Karte Europas zu verorten.
HE:
Welche mentalen Umrisse aber hat dieses Europa, bzw. soll es haben? Wichtig, gerade für den Westen, dazu auch Meinungen von Literaten bzw. Exilliteraten aus Polen, Kroatien, Slowenien und Tschechien. Oder aus der Ukraine; etwa von Festivalgast Juri Adruchowytsch. Der längst ins Deutsche übersetzt wird, und der die Ukraine dezidiert als Teil Europas sieht. Und dessen Beispiel zeigt, dass es bei Literatur und Übersetzen um Leben und Tod gehen kann. Auch Andruchowytsch ist einer, der auf dem Maidan stand und standhielt. Und der noch aus der Wut des Maidan heraus schreibt:
O-Ton Andruchowytsch :
Ja, aus der Wut und der Glut des Maidan; und in der Ukraine besprechen wir die ganze Zeit: wo sind die großen Romane über Maidan und über den Krieg, den wir heute haben, und ich denke, die kommen dann in 2,3,4 Jahren, jetzt ist die Zeit für was Kürzeres; wir, also die Schriftsteller, reagieren mit Gedichten, mit Essays, mit Feuilletons, und wahrscheinlich konservieren wir etwas für die künftigen Romane.
HE:
Dazu mag auch jene Rede zählen, die Andruchowytsch einmal hielt. „Thema : Ukraine – EU“: Wir (Ukrainer) reden über Werte, ihr (Europäer) redet über Preise, wenn von Werten die Rede ist, – so die Quintessenz der Rede, auf Ukrainisch verfasst und ins Deutsche übersetzt: uns ins europäische Stammbuch hinein. Auch das ein Beispiel für die Wichtigkeit des „Übersetzens“. Das uns auch anderweitig bereichert - etwa durch die Schönheit anderer Sprachen. Wie des Ukrainischen. Das man schon mal auf der Straße hört, ohne aber zu wissen, was es ist und wie es wirklich klingen kann. Voilà: Es kann so klingen wie in Andruchowytschs Gedicht vom „Einhorn“, hier ein Auszug; übersetzt von Claudia Dathe von TransStar Europa , gesprochen vom Autor selbst:
O-Ton Gedicht (Andruchowytsch – Dathe)
…….
Du Einziger…
Im Wald ertappt mich die dunkle Stunde. Wie Musik in der Stadt,
plötzlich hinter der Ecke.
Und ich höre, da weidet am Waldrand ein Einhorn….
Abmod:
Soviel zum „Übersetzungswürfel“ – dem Tübinger Literaturfestival von TransStar Europa. Heute abend um 20.00 Uhr bietet das Improvisationstheater Action und Drama aus Leipzig im Brechtbau der Universität Skurrilitäten unter dem Titel „Gescheitertes: Alles, was beim Übersetzen schiefgeht“; am Samstagnachmittag geht es weiter mit dem „Erbe des Antifaschismus auf dem Balkan“ und „Schreiben und Übersetzen nach dem Zerfall Jugoslawiens; weitere Infos unter www.transstar-europa.org