Gemogeltes: Dinge, die es anderswo nicht gibt

Krakau, Goethe-Institut, 17. Januar 2014
8. 2. 2014

Zwei Berichte über die Veranstaltung “Dinge, die es anderswo nicht gibt”

Wie übersetzt man einen Text, in dem sich bereits mehrere Sprachen mischen? Wieso kann die grammatische Kategorie des Genus bei der Übersetzung ein Problem darstellen? Und was hat der deutsche Kosakenzipfel mit dem tschechischen Huronen-Lachen zu tun? Auf alle diese Fragen gaben die Übersetzer und Übersetzerinnen aus dem Projekt Transstar Europa Antworten, indem sie typische unübersetzbare Phänomene ihrer einzelnen Muttersprachen erklärten und zeigten, wie man als literarischer Übersetzer mit diesen Problemen umgeht.

Am Anfang stellten die slowenischen Übersetzer das Phänomen des sog. Einsprengsels vor, das das Vorkommen eines fremdsprachigen Ausdrucks in einem Text bezeichnet. Am Beispiel eines slowenischen Textes, in dem allerdings viele bosnische und kroatische Worte auftauchen, wurden die Übersetzungsmöglichkeiten solcher Textstellen in einer lebhaften Diskussion mit dem Publikum besprochen. Am besten erschien schließlich die Variante, den gesamten Text ins Deutsche zu übertragen und die ursprünglich fremdsprachigen Worte in Kursivschrift zu markieren.

Ein weiteres Problem, auf das man häufig beim Übersetzen aus dem Deutschen stoßen kann, stellt das Genus, also das grammatikalische Geschlecht dar. Wie die Mitglieder der deutsch-slowenischen Gruppe an konkreten Beispielen zeigten, ist es manchmal bei deutschen Texten, die in Ich-Form geschrieben sind, problematisch zu bestimmen, zu welchem Geschlecht der jeweilige literarische Protagonist gehört. Ist es Absicht des Autors oder nur Zufall: jedenfalls ist die Übertragung in eine Sprache, in der das Genus schon immer durch die Endung der Verbform ausgedrückt wird, für den Übersetzer eine harte Nuss. Eine Möglichkeit, diese Situation zu lösen, wäre es, einfach den Autor zu fragen. Was aber tun, wenn dieser nicht mehr lebt? Dann kann man nur nach möglichen Anzeichen im Text suchen, eine mögliche Autobiographie des Textes im Blick haben und sich  am Ende vielleicht doch nach eigenem Instinkt für ein Genus entscheiden, das den Text in der Zielsprache am besten  klingen läss .

Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete der letzte thematische Block mit dem Titel „Humor“. Nach einer kurzen und witzigen Skizze zu Geschichte und Bedeutung des Begriffs Humor an sich zeigte die tschechisch-deutsche Übersetzergruppe die berühmte „Kosakenzipfel“-Szene des wohl bekanntesten deutschen Humoristen Loriot. Der Humor Loriots beruht größtenteils darauf, dass er sich über die angebliche Spießbürgerlichkeit des typischen Deutschen lustig macht, was ihn allerdings in Kulturen, in denen dieses Stereotyp weder besteht noch bekannt ist, praktisch unübersetzbar macht. Ein ähnliches Phänomen stellt der Tscheche Jára Cimrman dar – der beste tschechische Denker, Erfinder, Komponist, Pädagoge, Philosoph und nicht zuletzt Schriftsteller, den die Tschechen in einer gesamtnationalen Umfrage zu dem größten Tschechen aller Zeiten gewählt hatten und den… es eigentlich gar nicht gibt. Der Videoausschnitt aus Cimrmans fiktivem Drama „Die gefiederte Schlange“ über den primitiven Stamm der Huronen brachte nicht nur die tschechischen Teilnehmer der Veranstaltung zum Lachen, der absurde Humor und die spezifischen Anspielungen auf die tschechische Kultur und Geschichte machen jedoch das meiste von Jára Cimrman unübersetzbar.

Das alles durch eine lockere Moderation von Radovan Charvát eingerahmt ergab einen sehr unterhaltsamen Nachmittag im Krakauer Goethe-Institut, der umso mehr Spaß machte, als dem Publikum viel Raum zum Mitdiskutieren gegeben wurde.

von Alžběta Peštová

Das Netzwerktreffen in Krakau schillerte von Veranstaltungen mit prominenten ÜbersetzerInnen, AutorInnen und Kulturmanagern. Im Rahmen des dichten und höchst interessanten Programms konnten aber die TransStar-Teilnehmer nicht nur von der Erfahrung der etablierten Kenner der Übersetzungs- und Literaturbranche speisen, sondern auch ihre eigenen Überlegungen zu einem etwas ungewöhnlichen und umso spannenderen Thema „Gemogeltes: Dinge, die es anderswo nicht gibt“ vor Publikum bringen. Mehrere Skype-Besprechungen zur Vorbereitung einer gemeinsamen Veranstaltung der Teilnehmer aus verschiedenen Ländern gingen der Präsentation von wichtigen Aspekten des gewählten Themas voraus.

Und um 19 Uhr am 17. Januar ging es los im Goethe-Institut in Krakau. Radovan Charvát, der Werkstattleiter der deutsch-tschechischen Gruppe, leitete die Reihe von einzelnen Vorträgen sachte ein und übernahm meisterhaft auch weiterhin die Funktion des Moderators für diesen Abend, der aus drei thematischen Einheiten bestand.

Zuerst wurden von Daniela Trieb und Maja Konstantinović einige komplizierte Stellen mit anderssprachigen Einsprengseln präsentiert, die für die Leser des Textes in der Originalsprache eine bestimmte Bedeutung und Assoiation haben, welche aber für den Leser in einer einheitlichen Zielsprache der Übersetzung oft verloren geht. Es wurde gemeinsam mit dem Publikum nach eventuellen Lösungen gesucht, wie man diese sprachliche Uneinheitlichkeit auch in der Zielsprache der Übersetzung behalten könnte.

Dann kam die Zeit für  ein weiteres Thema, das den Übersetzern aus dem Deutschen in verschiedene slawische Sprachen regelmäßig Kopfzerbrechen bereitet. Das Geschlecht als grammatische Kategorie soll in den slawischen Sprachen schon durch bestimmte Endungen der Verben obligatorisch angegeben werden, was im Deutschen nicht der Fall ist und oft zum Spiel mit den Lesererwartungen im Text wird. An treffenden Beispielen haben Ana Dejanovič und Stefan Heck gezeigt, welche Folgen die Inkongruenz der grammatikalischen Geschlechter für die Übersetzung haben kann, wenn sich z. B. im Deutschen der „männliche“ Tod in den slawischen Sprachen mit dem weiblichen Geschlecht abfinden muss.

Anschließend geriet der Humor unter die Lupe der Übersetzer und wurde als ein riesiges Problem bei der Übersetzung betrachtet. Auf das vielseitige Wesen des Humors ging Martin Mutschler ein. Die humoristischen Texte spielen mit dem gemeinsam erworbenen Wissen und appellieren in der Regel an bestimmte Vorkenntnisse, die dem Leser des übersetzten Textes einfach völlig unbekannt sein können, was solche Textstellen manchmal auch unübersetzbar macht. Die Vertreter der deutsch-tschechischen Gruppe der Übersetzer Radovan Charvát, Anna Koubova und Miroslav Man stellten den bekanntesten Tschechen, Herrn Jára Cimrman, den es in Wirklichkeit nie gegeben hat, dem Publikum vor. Die humoristischen Szenen mit Herrn Jára Cimrman verlieren ihren komischen Effekt, wenn man kein Vorwissen über die Besonderheiten dieser imaginären Gestalt hat und sie stellen den Übersetzer vor große Herausforderungen. Ähnlich geht es beim ukrainischen Humor über das Thema Kosaken und beim deutschen Humor des berühmten Satirikers Loriot, wie Mykola Lipisivitskyi und Martin Mutschler berichteten.

Die Veranstaltung fand im regen Wechselgespräch mit dem Publikum statt und wurde ab und zu vom Gelächter und von Diskussionen unterbrochen. Die Projektteilnehmer haben offensichtlich die Dinge, die es anderswo nicht gibt, in das Goethe-Institut am einzigartigen Marktplatz in Krakau nicht umsonst gemogelt.

Hier finden Sie einige Fotos. Besuchen Sie auch unsere FB-Seite.

von Mykola Lipisivitskyi

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