Latica Bilopavlović Vuković
Foto © Latica Bilopavlović Vuković
Latica Bilopavlović Vuković, geboren 1976 in Nova Gradiška (Kroatien), übersetzt deutsche und französische Literatur ins Kroatische und ist Mitglied des Verbandes kroatischer Literaturübersetzer (www.dhkp.hr). Sie studierte Germanistik und Romanistik in Zagreb und in Mainz. Darauf folgten mehrere Aufenthalte in Übersetzerhäusern in Deutschland, Frankreich und in der Schweiz. Sie nahm an mehreren Übersetzerwerkstätten im Literarischen Colloquium Berlin teil, und im Jahre 2009 erhielt sie das “Schritte”-Stipendium der S. Fischer Stiftung für Übersetzer deutschsprachiger Literatur. Latica arbeitet seit 2002 sowohl als Literatur- und Fernsehübersetzerin als auch als Gästeführerin in Zagreb. Liest man heute zeitgenössische deutschsprachige Belletristik in kroatischer Übersetzung, wird man oft eine ihrer Übersetzungen zu lesen bekommen. Derzeit pendelt sie beruflich zwischen Zagreb und Brüssel. Latica ist Mutter von drei Kindern.
Latica, Du gehörst zu der jungen Generation der Literaturübersetzerinnen in Kroatien, die sich schon einen Namen gemacht hat. Zahlreiche Werke zeitgenössischer deutschsprachiger Autoren, wie z. B. Daniel Kehlmann, Juli Zeh, Wladimir Kaminer, Zsuzsa Bánk, Ilma Rakusa, Marica Bodrožić und Nataša Dragnić liegen in Deiner Übersetzung vor.
Welcher Autor war für Dich die größte Herausforderung?
Jeder Autor, sogar einer, deren Werke leicht lesbar und deswegen scheinbar leicht zu übersetzen sind, bietet dem Übersetzer verschiedene Herausforderungen, einmal ist es der ständige Gebrauch der indirekten Rede, wie z.B. in Kehlmanns Vermessung der Welt, ein andermal sind es Umgangsprache, Wortspiele oder etwa historische oder andere für einen nichtdeutschen Muttersprachler schwer verständliche Anspielungen. Trotzdem kann ich zwei Autorinnen als härteste Nüsse hervorheben – Marica Bodrožić und Ilma Rakusa, die beide sehr lyrische Texte schreiben, eine poetische, wortspielerische, oft ziemlich verschlüsselte Prosa. Zum Glück waren beide Autorinnen sehr hilfsbereit (vielleicht weil beide auch Übersetzerinnen sind, so dass sie die Probleme der Zunft gut kennen), und ich hatte die Gelegenheit, mit ihnen in Berlin bzw. Zürich zusammen zu arbeiten. Dazu sprechen beide Kroatisch und konnten meine Übersetzung lesen und ihre Kommentare geben, das hat mir viel geholfen.
Autor oder Autorin? Besteht da ein Unterschied für Dich als Übersetzerin?
Darüber habe ich nie gedacht, also, nein.
Auf der Liste Deiner Übersetzungen stehen vorwiegend Werke zeitgenössischer Autorinnen und Autoren. Sind ältere literarische Texte für Dich weniger interessant? Oder welche Kriterien sind für die Auswahl bedeutend?
Ich bevorzuge Werke lebender Autoren, die kann ich immer fragen, wenn etwas nicht klar ist, ha-ha! Spaß beiseite, es werden nun mal mehr zeitgenössische als ältere Texte übersetzt, deswegen bekommt man seltener die Gelegenheit, Klassiker zu übersetzen. Ich hatte schon solche Angebote, aber ehrlich gesagt, ich habe es mir einfach nicht zugetraut. Ich glaube, dafür muss man schon eine gewisse Reife haben, die ich in mir noch nicht spüre. Mal sehen, ob das einmal kommt.
Kannst Du den Prozess des literarischen Übersetzens beschreiben? Empfindest Du das Übersetzen als Genuss oder ist es eher schmerzhaft?
Das ist ein schmerzhafter Genuss, ha-ha! Ich genieße es, klar, ansonsten würde ich es gar nicht machen, ich genieße das ständige Nachschlagen in Wörterbüchern, weil ich dabei immer was Neues lerne, ein neues Wort, eine neue Redewendung. Ich genieße es, die veröffentlichte Übersetzung in den Händen zu haben und zu den anderen ins Bücherregal zu stellen. Was ich eher als lästig empfinde, ist das Korrekturlesen, wieder und wieder.
Welche Gefühle und Gedanken prägen die Anfangsphase der Arbeit an einer Übersetzung? Ändern sich diese während der weiteren Arbeit oder bei der Fertigstellung?
Ich bin nicht sicher, ob ich die Frage richtig verstehe. Die Anfangsphase ist sehr schön, das ist eigentlich einfach das Lesen des jeweiligen Buches, gar keine Arbeit sozusagen. Dann lege ich los, bin froh, wenn es relativ schnell geht. Wenn ich irgendwo stecken bleibe, lasse ich es für später. Deswegen ist die Endphase am schwierigsten – man hat das Gefühl, die Arbeit sei zu Ende, aber eigentlich hat man noch sehr viel zu tun, also Problemstellen zu lösen, vom Korrekturlesen ganz zu schweigen.
Du hast in mehreren Städten Kroatiens gelebt und verbringst viel Zeit auf der Insel Lastovo. Inwieweit spielt der Ort, an dem Du übersetzt, eine Rolle oder ist Dir der Ort weniger von Bedeutung?
Ich lebe in Zagreb, verbringe aber viel Zeit auf Lastovo und etwas weniger in Dubrovnik. Auf Lastovo bin ich meistens sehr produktiv, sei es wegen der frischen Meeresluft oder einfach weil ich nur schlechte Internetverbindung habe und kaum andere Ablenkungen.
Einige Zeit hast Du als Übersetzerin in Brüssel gearbeitet. Wie lässt sich das mit dem literarischen Übersetzen verbinden?
Kaum, besonders wenn man dazu noch Kinder hat. Ich habe bisher ein Jahr in Brüssel verbracht, in diesem Jahr habe ich kein Buch übersetzt, nur das Korrekturlesen vom letzten Buch gemacht.
Welche Werke, Autoren oder Textgattungen würdest du gerne in Zukunft übersetzen?
Es ist nun mal so, dass ich jetzt für „meine“ bisherigen Autoren reserviert bin, und es gibt noch viele ihrer Werke zu übersetzen. So übersetze ich zur Zeit wieder Julia Frank, dann kommt wieder Juli Zeh. Aus Zeitmangel konnte ich das letzte Buch von Marica Bodrožić nicht übersetzen, das hat dann eine Kollegin übernommen, die ich dem Verlag empfohlen habe. Bei der Lesung hatte ich dann ein komisches Gefühl, als ob ich eine andere mit meinem Ex-Freund sehen würde!
Ich würde gerne wieder mal ein Theaterstück übersetzen, das habe ich nur einmal gemacht (Yellow line von Juli Zeh und Charlotte Ross), und es hat mir gut gefallen.
Welches Buch übersetzt Du zurzeit? Ist es einfach oder eher schwierig zu übersetzen? Fällt Dir das Übersetzen mit der Zeit einfacher?
Zur Zeit übersetze ich Lagerfeuer von Julia Frank, einen Roman über Ostblock-Flüchtlinge in einem deutschen Aufnahmelager in den 60er Jahren. Ich glaube, jede Arbeit hat ihre Vor- und Nachteile, jede Arbeit ist mal schwierig, mal einfach. Mit der Zeit fällt mir das Übersetzen einfacher, klar, weil ich mehr Erfahrung habe, andererseits muss ich immer besser werden, ich kann mir jetzt keine Fehler leisten wie vor 12 Jahren, als ich Anfängerin war.
Was für ein Verhältnis hast Du zu Deinem Lektor? Gibt es Interventionen die Dir auf die Nerven gehen?
Ich hatte bisher keine Probleme damit, die Lektoren machten kaum Interventionen. Wenn auch, als literarischer Übersetzer ist man Koautor und hat das letzte Sagen, also sollte ich mit Interventionen unzufrieden sein, darf ich durchaus mein Veto einlegen.
Was würdest Du jungen Kollegen empfehlen? Kann man als Literaturübersetzer in Kroatien (über)leben?
Um gut zu übersetzen, muss man viel lesen bzw. gelesen haben, und zwar Bücher, nicht (nur) Internetseiten. Es ist schwer, nur als Literaturübersetzer sein Brot zu verdienen, nicht nur in Kroatien, es gibt aber viele Stipendien, die einem z.B. Auslandsaufenthalte ermöglichen, und das ist besonders für junge Übersetzer sehr wichtig. Das Literaturübersetzen wird Sie sicher nicht reich machen, aber bereichern schon!
Liebe Latica, vielen Dank für die anregenden Antworten!
von Ines Hudobec und Daniela Čančar
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