Gesucht und gefunden: Lyrik in der heutigen Welt
Der Abend der Lyrik begann mit der Jazzmusik von der Gruppe Lothar Krist B3 aus Hannover. Während die Musik eine wunderschöne Atmosphäre schuf, sammelten sich die TeilnehmerInnen des Projekts „TransStar Europa“ und die Gäste des Abends an den Tischen, unterhielten sich und warteten auf die Veranstaltung selbst.
Gleich am Anfang präsentierte die Moderatorin Daniela Kocmut die Biografie von Raoul Schrott, dem Autor und Übersetzer von über 30 Publikationen wie auch Gewinner von zahlreichen Preisen. Mit dem literarischen Übersetzen traf er sich, als er an seiner Dissertation arbeitet und sich für Dadaisten interessierte: Es gab nämlich keine Werke zu diesem Thema in deutscher Übersetzung, deshalb begann er selbst zu übersetzen.
Das Übersetzen sei ähnlich, wie das Sprechen durch eine Maske, meint Raoul Schrott und erklärt weiter, dass man das Werk zuerst lernen, verstehen, erschließen, sich aneignen und erst dann übersetzen solle. Das Übersetzen sei für ihn ein Vergnügen, es bedeutet, in eine Maske zu gleiten und sich führen zu lassen. Seiner Ansicht nach könne man durch die übersetzerische Tätigkeit auchh Sprachen lernen.
Raoul Schrott ist kein Anhänger der wörtlichen Treue, ihm geht es darum, den Sinn zu übertragen. Seine Übersetzungsmaxime besteht darin, nicht nur das Vokabular zu erschließen, sondern auch die Kommentare und Sekundärliteratur richtig zu verstehen und somit auch zu verstehen, was zwischen den Zeilen gesagt wird. Er bemüht sich den übersetzten Text so zu formulieren, dass er er dieselbe Wirkung wie der Ausgangstext habe. Die eigentliche Treue sei nicht die wörtliche, sondern die, diejenige den Sinn nachmache, sagte Schrott. Dies gilt besonders für Poesie, weil die wörtliche Übersetzung eines Gedichtes nie funktionieren kann – ein Gedicht sei mehr als nur Worte, es sei ein Bild, eine Melodie, die man in andere Sprachen übertragen müsse.
Der Dichter und Übersetzer sprach an dem interessanten und kreativen Abend auch über die Wichtigkeit der Poesie aus psychologischer und geschichtlicher Perspektive: Die Poesie, so Schrott, sei wesentlich älter als die Schrift. Als es noch keine Schrift gab, hat man melodische Poesie erfunden. Es war wichtig, das Wissen weiterzugeben und dafür hat man rhythmische Sätze genutzt, die leichter zu merken und somit weiterzugeben gewesen seien. Schrott erläuterte, dass die durchschnittliche Verszeile 12 Silben habe, weil das manshliche Kurzgedächtnis nur 3-Sekunden-Speicher habe. Das erklärt auch die Entwicklungspsychologie. Mit Gedichten gibt man nicht nur den Sinn, sondern auch die Intonation, die Melodie wieder; wenn man die Stimme hebt, ist der Vers ironisch und provokativ, wenn man sie sinkt, ist er melancholisch. Sogar die Kinder verstehen und nehmen zuerst die Melodie wahr und erst dann sequenzieren sie die Wörter.
Bevor Raoul Schrott eigene Gedichte vorgelesen hat und dann die eigenen Versübersetzungen von den TeilnehmernInnenn des Projekts „TransStar Europa“ präsentiert wurden, gab er den angehenden ÜbersetzerInnen noch einen Tipp: Es gebe keine perfekte Übersetzung, alle 50 Jahre müsse man die Übersetzung neu machen, weil die Sprache sich ständig weiterentwickelt. Was wichtig für einen Übersetzer sei, sei das Gefühl für Sprache und ihre Idiomatik – und für eine gelungene gute Übersetzung sei es wichtig, so Schrott, dass man das Verständnis der eigenen Sprache entwickele.
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von Yuliya Mykytyuk