Am Freitag, dem dritten Tag unserer TransStar-Werkstatt in Tübingen, erwartete uns nach einer Vormittagseinheit, in der wir an unseren Übersetzungen gearbeitet hatten, ein vielversprechender Workshop zu Sprechtraining und Moderation. Von Literaturübersetzerinnen und -übersetzern wird bekanntlich nicht nur erwartet, dass sie im sprichwörtlich „stillen Kämmerlein“ eine fabelhafte Übersetzung anfertigen, sondern auch, dass sie dieser – bei Literaturveranstaltungen etwa – mithilfe ihrer eigenen Stimme Ausdruck verleihen. Selten jedoch suhlen sich Übersetzerinnen und Übersetzer im Rampenlicht. Das Gros der Übersetzerinnen und Übersetzer sieht das Auftreten vor Publikum vielmehr als eine unangenehme Begleiterscheinung des Literaturübersetzens. Cornelia Prauser und Florian Ahlborn, ihres Zeichens Sprechkünstler und ausgebildete Sprechtrainer der Akademie für das gesprochene Wort, setzten in ihrem Workshop alles daran, diese unsere Abwehrhaltung ins Gegenteil zu kehren.
Gleich zu Beginn stand uns die Verblüffung über das sichere, dynamische Auftreten der beiden SprechtrainerInnen ins Gesicht geschrieben. Mit lauter, fester Stimme und tadellosem sprachlichen Ausdruck stellten sich uns Cornelia und Florian vor und gingen sogleich in medias res: „Sprich, damit ich dich sehe!“, zitierte Florian den griechischen Philosophen Sokrates. Unter diesem Motto sollten die folgenden Workshop-Stunden stehen. Wir erfuhren, dass Kommunikation niemals auf rein verbaler Ebene abläuft, sondern zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auf nonverbaler Ebene. Wenn wir etwas sagen, dann kommt bei unserem Gegenüber der Inhalt nur zu sieben Prozent an. Einen viel nachhaltigeren Eindruck hinterlassen wir hingegen mit unserer Stimme, nämlich zu 38 Prozent, und mit unserer Körpersprache. Diese macht sogar 55 Prozent unseres Gesamteindrucks aus! Dass Worte der visuellen Botschaft eindeutig untergeordnet sind, bewiesen uns Cornelia und Florian sogleich mit einem Experiment: Mit einem senkrecht in die Höhe gestreckten Arm forderten sie uns auf: „Steht einmal auf und haltet euren Arm waagrecht!“ Geleitet vom dem, was wir sahen, und nicht von dem, was wir hörten, standen wir auf und streckten ohne Ausnahme unsere Arme ebenso senkrecht in die Höhe, wie wir es an den Trainern sahen! Wer hätte das gedacht?
Wir beschäftigten uns neben der Wahrnehmung auch mit Körperhaltung, Atmung, Muskelspannung, Stimme und Sprechen. Cornelia und Florian zeigten uns eine Reihe von Übungen, die zu einer sicheren Stimme und einem lockeren Auftreten beitragen. Diese teils ulkig anmutenden Übungen durften wir auch gleich ausprobieren. Imaginäre Hühner mit einer entschlosseneren Handbewegung und einem scharf ausgesprochenen „Sch“ aus unserem imaginären Gemüsegarten zu verscheuchen, ließ uns nicht nur unsere Atmung bewusst spüren, sondern erheiterte unsere Runde auch dementsprechend.
Nach dem allgemeinen Part des Workshops teilten wir uns in zwei Gruppen. Mit Cornelia übten wir das Lesen von literarischen Texten vor Publikum und mit Florian das Moderieren eines Diskussionsgesprächs. Bei diesem interaktiv gestalteten Teil des Workshops galt vor allem „Learning by doing“. So wurden wir dazu angehalten, die Gunst der Stunde in dieser vertrauten Runde zu nutzen und das eben Gehörte sofort in die Tat umzusetzen. Dabei standen uns bei der ein oder anderen Unsicherheit die beiden Trainer mit guten Tipps zur Seite.
Zum Schluss wurde das uns allen bekannte Lampenfieber thematisiert. Cornelia und Florian wiesen uns darauf hin, stets zu hinterfragen, warum wir vor Auftritten Lampenfieber verspüren. In den meisten Fällen entsteht dieses nämlich aus Versagensängsten, die vollkommen unbegründet sind. Den Trick, sich vor einer Lesung „Das Publikum will meine Infos!“ einzubläuen, konnten einige von uns bereits am darauffolgenden Tag bei der nächsten TransStar-Veranstaltung ausprobieren. Und es hat gewirkt!
von Evelyn Sturl