Alle bisherigen Blogeinträge haben sich mit dem „Fremden“ in der Übersetzung beschäftigt. Ich möchte nun den Fokus auf das „Eigene“ in der Übersetzung und damit auf unsere Zielsprache richten. In meiner Gruppe übersetzen wir ins Deutsche. Das klingt im Prinzip sehr homogen und scheint – zumindest in der Theorie – keine Schwierigkeiten zu bereiten, auch wenn die fünf GruppenteilnehmerInnen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich kommen. Immerhin führen alle drei Länder Deutsch als Amtssprache. In Wahrheit jedoch ist diese Klarheit ganz und gar nicht vorhanden. Deutsch ist nicht gleich Deutsch in den drei Ländern. So viel Gesprächsstoff diese Varietäten auch geben können und so unterhaltsam sie dabei auch sind, so kompliziert und vielschichtig sind sie auch. Für mich sind es besonders die regionalen Unterschiede, durch welche ich mich mit meiner Muttersprache identifiziere und auf deren Verunglimpfung ich mitunter empfindlich reagiere.
Vor dem Projekt TransStar dachte ich, dass mir im Großen und Ganzen die Unterschiede zwischen dem Bundesdeutschen und dem Österreichischen Deutsch bewusst seien. Ich hatte deswegen auch keine Scheue davor, mich für TransStar zu bewerben. „Wenn ich darauf achte, kann ich die paar Austriazismen einfach weglassen“, war ich überzeugt. Erst nach dem ersten Korrekturlesen meiner Übersetzung durch Matthias Jacob begriff ich, wie breit gefächert das Varietätenspektrum ist und wie (unbewusst) gefärbt mein Deutsch klingt. Zudem stellte ich fest, dass ich keineswegs gleichgültig, sondern vielmehr empfindlich auf „deutsche“ Verbesserungsvorschläge reagiere. Es entspricht nicht meinem natürlichen Sprachgebrauch, „sie bereiten den Grill vor“ anstelle von „sie bereiten den Griller vor“ zu schreiben oder „sie stopfen Fischölkapseln in mich hinein“ anstelle von „sie schoppen mich mit Fischölkapseln“. Oder sollte ich meinen Provinzstolz zurückschrauben und mich dem anderen „Eigenen“ anpassen?
Inwieweit soll nun am „Eigenen“ gefeilt werden? Dient in den anderen Gruppen mit Zielsprache Deutsch ausschließlich der bundesdeutsche Standard als Richtlinie? Ist es verwerflich, als ÜbersetzerIn durch die „eigene“ Sprache und somit durch die regionale Varietät des Deutschen sichtbar zu werden?
von Evelyn Sturl
Ich bin zwar nicht Teil einer der TransStar Gruppen, die ins Deutsche übersetzten, würde aber grundsätzlich sagen, dass man Sprachvarietäten benutzen sollte, falls sie auch im Original vorkommen.
Beim Übersetzen ins Slowenische gibt es z.B. eher eine Tendenz zur Standardisation, aber heutzutage werden auch Varietäten immer öfter wahrgenommen und transferiert.
Der Beitrag ist sehr interessant! Ich bin selbst aus Österreich (die einzige in unserer Gruppe) und habe mir ähnliche Gedanken gemacht. Meine Übersetzungsvorschläge wurden zwar bisher noch nicht auf ihre österreichische Färbung hin verbessert, dennoch merke ich oft, dass die Gedanken daran bei der Übersetzung im Hintergrund “mitbestimmen”. Ich versuche offensichtliche Dialektwörter zu vermeiden, verteidige aber den österreichischen Standard (Gemeindebau statt Sozialbau zB). “Schoppen” ist ein Wort, das ich als Dialekt einstufen würde, bei Griller wäre ich mir auch unsicher. Auf Verbesserungen reagiere ich ebenfalls ungewollt empfindlich…
Schwierig wird es denke ich erst, wenn der Originaltext mit dialektalen Elementen arbeitet und man sich entscheiden muss, welchen Dialekt man für die Übersetzung wählen soll. Ich habe gerade erst ein Original (Solodka Darusja von Maria Matios) und die Übersetzung von Claudia Dathe dazu (Darina, die Süße) gelesen und besonders auf die Übersetzung der dialektalen Elemente geachtet – sehr viele Wörter waren mir aus österreichischen Dialekten vertraut.