Querverbindungen

13. 6. 2013

Wir befassen uns alle mit der deutschsprachigen Literatur, die so zu sagen den Kern unseres “Übersetzungssterns” bildet, aber wie es scheint, wird es durchaus zu Querverbindungen kommen, denn etwas, was in Deutschland vielleicht fremd oder unbekannt klingen mag, wird vielleicht in anderen ex-sozialistischen Ländern als etwas Vertrautes empfunden.

Ich konnte es kaum glauben, als ich den Beitrag von Claudia las – mir schien es gerade umgekehrt zu sein, denn manchmal hatte ich in Berlin den Eindruck, man “verschlinge” alles, was aus Polen oder aus der Ukraine komme und eine Zeitlang kam es mir vor, als ob ich bei jeder Veranstaltung auf den Namen “Juri Andruchowytsch” stoßen würde …  Aber vielleicht ist Berlin da eine Ausnahme im deutschsprachigen Raum.

Auch sonst habe ich mir die Ukraine immer als einen literarischen Ort vorgestellt und bin von Lemberg nach Tschernowitz eines Paul Celan und Rose Ausländer gepilgert und danach nach Kiew, vom Bahnhof fast direkt zu Bulgakows Haus. Aber es stimmt, alle drei genannten Autoren haben nicht auf Ukrainisch geschrieben und ich schäme mich, so wenig über ukrainische Autoren zu wissen.

Immer wieder fasziniert es mich, wie viel Wert die deutschen Stiftungen darauf legen, mit Hilfe von gemeinsamen Projekten Konflikten vorzubeugen, wie etwa mit dem Traduki-Projekt im südosteuropäischen Raum. Noch einmal muss ich mich schämen und ganz leise zugeben, dass ich auch viele kroatische, bosnische, serbische, rumänische oder albanische Autoren erst mit liebevoller Hilfe dieser deutschen “Brücke” kennengelernt habe.

von Amalija Maček

Die Kulturkrise und das literarische Übersetzen

10. 6. 2013

Wie in vielen anderen Ländern, hat in den letzten Jahren die Wirtschaftskrise auch in Slowenien den Bereich der Kultur maßgeblich beeinflusst. Einerseits erhalten zahlreiche Kulturprogramme wegen der Sparmaßnahmen weniger finanzielle Unterstützung vom Staat und können deshalb nur noch in beschränktem Maße – oder gar nicht mehr – durchgeführt werden, andererseits sind Ausgaben für Kultur das erste, was viele Menschen in dieser Zeit eingeschränkt haben.

Man kann also auch von einer Kulturkrise sprechen. Der Büchermarkt ist keine Ausnahme; laut dem Statistischem Amt der Republik Slowenien sind die Verkaufszahlen zwischen 2008 und 2011 um ein Drittel gefallen. Wie schon Amalija Maček in ihrem Beitrag mit dem Titel Für wen übersetzen wir feststellt, erreichen in Slowenien in der Regel Kinderbücher und internationale Bestseller die höchsten Verkaufszahlen, und deshalb entscheiden sich Verleger vor allem für Übersetzungen solcher Bücher. Übersetzungen vieler kommerziell weniger interessanter Bücher werden zwar seitens der slowenischen Buchagentur (JAK) mitfinanziert, aber auch diese Agentur wird vom Staat nicht im gleichen Umfang wie vor der Wirtschaftskrise finanziell unterstützt.

Weil es viel preiswerter ist, alte Übersetzungen einfach nachzudrucken, wurden zahlreiche Klassiker der Weltliteratur schon seit Jahrzehnten nicht neu übersetzt; darunter sind auch Werke, von denen man sagen könnte, dass sie aus verschiedenen Gründen nach einer Neuübersetzung regelrecht schreien. Solche Neuauflagen waren zwar schon vor der Krise die Praxis, aber wegen der jetzigen Umstände wird es noch unwahrscheinlicher, dass Neuübersetzungen in Auftrag gegeben werden. Deshalb hoffe ich, dass die Wirtschafts- bzw. Kulturkrise nicht mehr lange andauert und dass damit auch für das literarische Übersetzen schon bald bessere Tage kommen.

von Janko Trupej

Das Fremde

29. 5. 2013

Zugegeben – ich beschäftige mich erst seit kurzem mit literarischer Übersetzung. Und trotzdem ist mir schon oft die Diskussion über den Umgang mit dem ”Fremden” im Text untergekommen. Das Fremde im Originaltext solle für Leserinnen und Leser der Übersetzung verständlich gemacht werden. Verständlich soll es werden, zumindest nachvollziehbar, aber nicht zu gewöhnlich, immer noch fremd anmutend.

Wie vor mir Claudia Dathe und Amalija Maček stelle ich mir Fragen. Ich frage mich, ob nicht jeder Text etwas Fremdes in sich hat? Ist den deutschsprachigen Leserinnen und Lesern Marlene Haushofers Die Wand wirklich vertrauter als den slowenischen?

Ein zweiter Aspekt interessiert mich im Zusammenhang mit dem Fremden. Was ist, wenn ein Text im Original ein Thema behandelt, das dem Lesepublikum des Originaltextes fremd ist, jenem der Übersetzung aber bekannt wäre? Ich denke da etwa an den Comic von Igort Quaderni ucraini, an den Roman What is told von Askold Melnyczuk oder an selbst verfasste Texte, die viel mit der Ukraine zu tun haben. Was würde da mit dem Fremden in der Übersetzung passieren? Finden es Leserinnen und Leser in solchen Fällen befremdlich, wenn andere über das „Eigene“ schreiben?

von Nina Hawrylow

Die slowenischen und die deutschen Leser

27. 5. 2013

Genauso wie die meisten Autorinnen und Autoren überlegen wir Übersetzerinnen und Übersetzer, wer die Bücher liest, die wir übersetzen. Ich bin ebenso wie Amalija Maček mit der Tatsache konfrontiert, dass die Bücher, die ich aus dem Ukrainischen ins Deutsche übersetze, wenige Menschen lesen. Wenn ich mit anderen Menschen über mein Übersetzen aus dem Ukrainischen ins Gespräch komme, sehe ich mich Fragen gegenüber wie: „Ist denn Ukrainisch überhaupt eine eigene Sprache?“ oder „Gab es Ukrainisch auch schon vor 1989?“ Es geht also nicht darum, dass man bestimmte Autorinnen oder Autoren nicht kennt, sondern dass man die Ukraine in Deutschland häufig nicht einmal als etwas kulturell und gesellschaftlich Eigenständiges wahrnimmt. Und dieser fehlende Hintergrund macht es Verlagen und Veranstaltern, aber auch dem einzelnen Übersetzer sehr schwer, die ukrainische Literatur und die Autoren in das deutschsprachige Lesegefüge einzubinden, obwohl sehr viel Literatur übersetzt wird.

Dieses Phänomen trifft auf Deutschland und die deutschsprachige Literatur in Slowenien gewiss nicht zu. Wie sehen denn nun die Leser von Marlene Haushofer in Slowenien aus? Sind es Menschen, die sich in ihrem Arbeitsalltag mit Deutschland beschäftigen? Oder solche, die Interesse an ungewöhnlichen Ideen haben? Sind es Menschen, die sich gern in andere Vorstellungswelten und irritierende Atmosphären hinein nehmen lassen? Ich jedenfalls habe Marlene Haushofers Die Wand mit großer innerer Spannung gelesen: Eine Frau, die auf einem abgelegenen Hof in den Bergen durch eine Wand plötzlich der Möglichkeit beraubt wird, in die Zivilisation zurückzukehren – eine aufregende und erschreckende Vorstellung zugleich, ein Erlebnisraum, den man in der Wirklichkeit nicht findet, sehr wohl aber in der Literatur.

von Claudia Dathe

Für wen übersetzen wir

20. 5. 2013

Neulich erzählte ich bei einem Familienfest überglücklich von meinem aktuellen Übersetzungsprojekt, Marlen Haushofers Die Wand. Entzückt sprach ich davon, dass in diesem Buch nur eine Frau, ein Hund, eine Kuh, ein Stier und einige Katzen vorkämen. Da fragte meine Schwester: »Wer liest denn sowas?«

Es ist eine berechtigte Frage. Schaut man sich die Statistik der slowenischen Buchagentur JAK an, werden in Slowenien meist Kinder-, Kochbücher und sonstige Ratgeber ausgeliehen oder gekauft. Es folgen Bestseller wie Harry Potter, Fifty Shades of Gray usw. Die Klassiker bleiben weit hinten. Von den 5,6 Millionen ausgeliehener Titel bei 2 Millionen Einwohner wurden meine Übersetzungen in 2012 nur ungf. 8.000-mal mit nach Hause genommen. Für mich ist das trotzdem viel. Es ist unheimlich, sich vorzustellen, diese 8.000 Personen würden alle auf einmal vor mir stehen. Aber sie hatten alle ein Buch von mir in der Hand. Einige davon sind Kinderbücher, aber hoffentlich hat auch jemand nach T. Moras Alle Tage oder nach Kafkas Briefe an Milena gegriffen und die Lektüre genossen.

Beim Übersetzen denke ich nicht an die Quantität der Leser, sondern vielleicht an die eine oder andere konkrete Person, der ich die Übersetzung insgeheim widme und das erschienene Buch schenke. Ja, es ist ein großer verlegerischer Aufwand und Risiko, ein selten  gelesenes Werk herauszubringen, aber mir persönlich genügt es, wenn es einen oder zwei Leser wirklich anspricht und bin den Verlegern dankbar, die meine Vorschläge akzeptieren, auch wenn sie nicht lukrativ sind. Josef Winklers Wenn es soweit ist ist sicherlich kein Bestseller in Slowenien, es hat jedoch gleich zwei Regisseure angesprochen – Ivica Buljan für ein Monodrama mit Marko Mandić und Matjaž Ivanišin für ein Filmdrehbuch. Das bedeutet mir viel mehr als jegliche Statistik. Und es müssen auch nicht immer viele Menschen in einem Roman vorkommen, damit er spannend ist …

von Amalija Maček

Newsletter

Blog

Übersetzungswürfel

Translating cube

Veranstaltungen

Events