Ein Wassertropfen sein

12. 8. 2014

Wenn ich wieder einmal bei einem Wort steckenbleibe, maile ich meiner guten Freundin Ljudmyla, die in Berlin sitzt und das gleiche macht wie ich: Texte über die ukrainische Revolution ins Deutsche übersetzen und dabei versuchen, so wenig wie möglich „verdrehbare“ Wörter zu verwenden. Oft sind es Kleinigkeiten an denen wir lange aufgehalten werden und die den Lesern später vielleicht gar nicht auffallen, aber wir wollen absichtlich nicht die gleiche Leier reproduzieren, die man so oft zu lesen und hören kriegt: Ex-Sowjetrepublik, das Land am Rand, Grenzland, zerrissen/gespalten zwischen zwei „Mächten“, usw. Warum kann man nicht einfach Ukraine sagen? Dieses krampfhafte Vermeiden von Wortwiederholungen und Herumreiten auf der Etymologie finde ich störend. Wenn man von Österreich schreibt, versucht man auch nicht so gut es geht das Wort „Österreich“ zu vermeiden und sucht nach Alternativen wie Ex-Ständestaat, das Reich im Osten, das Land ohne Meer, obwohl mir Alpenrepublik ja doch immer wieder unterkommt. Heinz Fischer ist der Bundespräsident Österreichs, Petro Poroschenko wahlweise Präsident oder Schokoladenkönig, passend dazu: die Gasprinzessin.

Für mich ist es auch eine Form von Protest, über den Protest – und ich spreche hier über die ukrainische Revolution, weil ich eine andere noch nicht erlebt habe – nicht mit den üblichen Bildern und Wörtern zu erzählen. Dabei meine ich nicht nur das tatsächliche Übersetzen von Texten in schriftlicher Form, sondern auch das Sprechen über die politischen Ereignisse in der Ukraine. Ich verstehe die Medien vor Ort und sehe mich mehr oder weniger dazu angehalten, zu sagen, was ich da lese und höre. Ich empfände es beinahe als Verrat meinen ukrainischen Freunden gegenüber, wenn ich ihren Kampf zur Kenntnis nähme, ihn aber für mich behielte. Daher finde ich es in so turbulenten Zeiten vor allem wichtig, Übersetzungen abseits von Papier und Webseiten anzubieten und den Menschen in meiner Umgebung die verschiedenen Stimmen der Revolution näherzubringen.

Als sich vor Kurzem eine Freundin für die Ausstellung „I am a drop in the ocean – Art of the Ukrainian Revolution“ in Wien interessierte, bin ich begeistert mitgelaufen und habe ihr jeden Slogan, jedes Stencil und die Symbolik erklärt und mich dabei wirklich wie ein Tropfen im Ozean gefühlt.

von Nina Hawrylow

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