Maria Janion: Die Polen und ihre Vampire

26. 8. 2014

Die Literaturwissenschaftlerin und Publizistin Maria Janion gilt in Polen nicht nur als die wichtigste Romantikforscherin, sondern auch als einflussreiche Intellektuelle, die sich schon seit vielen Jahrzehnten in das kulturelle Geschehen einmischt und zu kontroversen Themen etwas zu sagen hat. Und zwar auf ihre ganz eigene Art. Die Romantik, so Janions wahrscheinlich prominenteste These, sei in Polen nicht etwa wie in den anderen Ländern Europas mit dem 19. Jahrhundert zu Ende gegangen, sondern wirke noch immer als grundlegendes Paradigma fort. So entflamme auch im 21. Jahrhundert bei Bedarf noch der polnische Messianismus, wie zuletzt nach dem Flugzeugunglück von Smolensk. Auch sei bei den Polen ein Hang zu Vampiren und anderen Schreckgestalten unverkennbar. Mit Einsichten dieser Art, die Janion plausibel zu erklären und eingängig zu illustrieren versteht, prägte sie das kulturelle Bewusstsein ihrer Studenten und Leser und veränderte die geisteswissenschaftliche Landschaft Polens nachhaltig.

Erstaunlicherweise war Maria Janions Name hierzulande bislang auf keinem Buchdeckel zu entdecken; bloß einige wenige ihrer Texte sind im Laufe der letzten vierzig Jahre auf Deutsch erschienen – eher zufällig, unauffällig, verstreut. Seit diesem Sommer nun ist endlich mehr von Maria Janion zu lesen: Unter dem Titel „Die Polen und ihre Vampire“ ist in der Reihe „Denken und Wissen“ des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt eine Sammlung von Aufsätzen aus dem Spätwerk der inzwischen 88-jährigen Autorin erschienen. Die Potsdamer Polonistin Magdalena Marszałek führt in einem Vorwort in Leben und Werk Janions ein; übersetzt wurden die Texte von Bernhard Hartmann und Thomas Weiler. Nicht zuletzt dank der gelungenen Übertragung Janions geistreich-gehaltvoller und zugleich flüchtig-leichtfüßiger Sprache ins Deutsche ist ein schönes Buch daraus geworden, das sowohl zum Begleiter eines späten Sommerurlaubs taugt als auch für genügend Anregung an langen Herbstabenden sorgt.

von Melanie Foik

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