Jurko Prochasko

1. 5. 2015

werkstattleiter_yuriy_prokhaskoJurko Prochasko
Foto © Markijan Prochasko

Der ukrainische Übersetzer und Autor Jurko Prochasko ist einer der wichtigsten kulturellen Vermittler zwischen Deutschland und der Ukraine. 1970 im ostgalizischen Iwano-Frankiwsk geboren, gehört er einer Generation an, die im westlichsten Teil der damaligen Sowjetunion aufwuchs und mit den Brüchen und Konflikten der Vergangenheit unmittelbar konfrontiert war. Prochasko studierte in Lemberg Germanistik und setzte sich früh mit dem multikulturellen Erbe der Stadt auseinander. »Von der österreichischen wie von der galizischen Vergangenheit wurde zu Hause gesprochen. Von der jüdischen nicht«, sagte er in einem Interview 2004 mit Doris Liebermann (Liebermann 2004). In den Jahren nach seinem Studium war er am Institut für Literaturforschung der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften in Lemberg tätig und übte eine umfangreiche Übersetzertätigkeit aus. Aus dem Deutschen hat er Autoren wie Heinrich von Kleist, Robert Musil und Franz Kafka übertragen, darüber hinaus liegen von ihm auch zahlreiche Übersetzungen aus dem Polnischen vor. Als in den 1990er Jahren die wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kontakte zu den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zunahmen, wurde Jurko Prochasko zu einem der führenden Lemberger Intellektuellen, der in brillantem Deutsch die Vielgestaltigkeit des multikulturellen Erbes von Lemberg Touristen, Journalisten und Wissenschaftlern nahebringen konnte. Im Jahr 2004 unterstützte Jurko Prochasko die Orange Revolution und meldet sich seitdem auch regelmäßig zu politischen Themen zu Wort. In zahlreichen Interviews im Vorfeld der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine 2012 und während und nach der ukrainischen Euromajdan-Revolution erläuterte er innenpolitische Konstellationen und Einstellungen der ukrainischen Bevölkerung. 2008 wurde er mit dem Friedrich-Gundolf-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung für die Vermittlung deutscher Kultur im Ausland und im gleichen Jahr mit dem Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung ausgezeichnet.

An Jurko Prochasko lässt sich ablesen, wie biografische, historische und politische Konstellationen die Persönlichkeit eines kulturellen Vermittlers formen. Die ostgalizischen Städte Iwano-Frankiwsk und Lemberg sowie Prochaskos familiäres Umfeld – seine Großmutter hatte in Wien studiert – veranlassten ihn zur Auseinandersetzung mit der Verflechtung von Kulturen und den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Seine Übersetzungen schulten nicht nur seine sprachliche Kompetenz, sondern vertieften seine Kenntnisse über Kulturen und historische Zusammenhänge. Seine Kompetenzen zu Galizien, Lemberg und die Verflechtung der Literaturen ebneten ihm schließlich den Weg in die deutsche Öffentlichkeit, wo er als ein maßgeblicher Intellektueller seines Landes auch zu politischen und gesellschaftlichen Aspekten befragt wird.

von Claudia Dathe

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