Otto F. Babler

8. 3. 2015

Otto F. Babler: ein Vermittler zwischen mehreren Sprach- und Zeiträumen

geb. 26. 1. 1901, Zenica (Österreich-Ungarn, heutiges Bosnien und Herzegowina)

gest. 24. 2. 1984, Olomouc /Olmütz (Tschechoslowakei, heutiges Tschechien)

Durch seine Lebensgeschichte, wie auch durch seine innere Überzeugung entspricht Otto F. Babler hervorragend der „vernetzenden“ Philosophie unseres Projekts. Der Sohn eines österreichischen Vaters und einer böhmischen Mutter war für die Karriere des polyglotten Vermittlers zwischen europäischen Kulturen quasi vorherbestimmt, als er in der bosnischen Stadt Zenica 1901 zur Welt kam.  Sein Vater zog aus Arbeitsgründen in die Gegend, wie es in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie üblich war. Nach seinem vorzeitigen Tod schloss sich seine Witwe Jindřiška mit dem kleinen Otto der Familie ihres Schwagers Ignác Lechota an und hielt sich zusammen mit ihnen bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges in Sarajevo auf.

Zur Zeit Ottos Kindheit und Jugend war die Stadt durch eine Mischung der Kulturen und Religionen gekennzeichnet. Die Literaturhistoriker erwähnen 4 bekannte Religionen und sogar 18(!) gesprochene Sprachen. Die damals notwendige sprachliche Ausstattung (Tschechisch, Deutsch, Serbokroatisch) bereicherte Babler aus eigenem Interesse um Latein und Französisch, später beherrschte er auch Englisch, Russisch, Polnisch und Italienisch. Außerdem beschäftigte er sich mit seltenen Sprachen (Provenzalisch, Sorbisch, Kaschubisch).

Infolge des Attentats auf den Erzherzog Franz Ferdinand flohen die Familien Lechota-Babler nach Olmütz, wo die Lechotas ihre Würzeln hatten. In dieser historischen regionalen Metropole konnten sie 1918 die Gründung des neuen Staats, der Tschechislowakei  miterleben. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass der siebzehnjährige, in Bosnien geborene Otto nach dem Untergang der k. u. k. Monarchie automatisch zum Bürger des ebenfalls neu gegründeten Königreichs Jugoslawien geworden ist. Den Antrag auf tschechoslowakische Staatsbürgerschaft stellte er erst im Jahre 1936.

Nach dem Abitur schlug Babler überraschenderweise keine akademische Laufbahn ein, sondern versuchte, sich als freiberuflicher Übersetzer zu etablieren. Da er häufig auf Desinteresse der Verleger stoß, begann er seine eigenen bibliophilen Editionen nach dem Vorbild des berühmten tschechischen  Verlegers Josef Florian herauszugeben. Die Anzahl der Exemplare überschritt nicht 350 pro Übersetzung, alle waren nummeriert und mit Illustrationen begleitet. Zu den bedeutendsten zählte die tschechische Version der Mädchengebete zu Maria von R. M. Rilke. Eine Besonderheit dieser verlegerischen Tätigkeit Bablers waren seine thematischen Antologien wie z. B. Knížka o koni (Büchlein vom Pferd).

In dieser Periode seines Lebens kehrte sich Babler entschlossen von literarischen Zentren und deren intellektuellen Kreisen ab. Zusammen mit seiner Frau zog er aufs Land, nach Samotišky (ein Ortsname, der schon an sich Einsamkeit und Stille hervorruft), wo er Ruhe und Natur genießen wollte. Nach Olmütz fuhr er nur noch zur Arbeit: 1936 wurde er Bibliothekar der Handelskammer, in den 40er Jahren arbeitete er als Lektor an der Palacký-Universität. An seiner Isolation litt er keineswegs, vielmehr fürchtete er, zu einer konkreten Strömung eingeordnet zu werden. Dank seiner Einzelgänger-Position hielt er sich ebenfalls von den damals wütenden ideologischen (nationalistischen und religiösen) Streitereien fern. In solcher Geborgenheit konnte er mit Autoren wie Shakespeare, Dante oder Poe kommunizieren, deren Werke die Probe der Zeit bestanden hatten. Überdies setzte er sich mit französischen mittelalterlichen Vorlagen (Rosenroman und Roman de Renart) auseinander. Er verlor nicht einmal den südslawischen Raum aus dem Blick: u. A. übersetzte er die bosnische Volksballade Hasanaginica oder die Werke zeitgenössischer Autoren wie Petar Preradović und Ivo Andrić. Aus dem Deutschen übertrug er Texte von Abraham a Santa Clara, Angelus Silesius, Achim von Arnim, Martin Buber, Rainer Maria Rilke, in den 50er Jahren auch Romane von E. M. Remarque und A. Seghers.

Für die deutschsprachige Leserschaft schuf er Übertragungen der Gedichte seiner Zeitgenossen (Zahradníček, Holan) und nicht zuletzt des inzwischen zum Klassiker gewordenen Kinderbuchs Geschichten vom Hündchen und vom Kätzchen aus der Feder Josef Čapeks. Als einzigartig gilt aber seine deutsche Fassung des berühmten, vom tschechischen Romantiker K. H. Mácha stammenden Gedichtes Mai, das in vier Gesängen eine Liebes- und Mordgeschichte durch den Schleier der Maiidylle erblicken lässt und dessen Anfang alle tschechischen Schüler bis heute zitieren können:

Ein Abend spät – der erste Mai –
ein Abendmai – der Liebe Zeit.
Wo Föhren Düfte streuen weit,
das Täubchen ruft zur Lieb herbei.

Der größte Verdienst O. F. Bablers besteht wohl gerade in der Tatsache, dass er seine Übersetzerrolle großzügig verstand, sich nicht auf ein Sprachgebiet beschränkte und  die mannigfaltigen Schätze der europäischen Kultur als ein einziges Erbe empfand.

 von Michaela Otterová

Quelle: Hrdinová, Eva: Otto František Babler, Olomouc, Univerzita Palackého v Olomouci: 2008.

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