Štefan Vevar

14. 2. 2015

02_Vevar Stefan_webDr. Štefan Vevar, einer der bedeutendsten slowenischen Übersetzer aus der deutschen Sprache, der in seiner langen Karriere Autoren wie Goethe, Schiller, Musil, Ransmayr, Kafka und viele andere ins Slowenische übersetzt hat, wird im April einer der Gäste des TransStar Treffens in Ljubljana sein. Wir haben uns in einem Teehaus in Ljubljana getroffen und über seine Anfänge, Erfahrungen, die slowenische Übersetzerszene und vieles andere gesprochen.

Können Sie uns von Ihren Anfängen in der Übersetzerszene erzählen?

Meine Vorliebe für die Literatur stammt schon aus den frühen Jahren, vielleicht aus der Grundschulzeit. Ich widmete mich dann zwar vollkommen dem Sport, fand jedoch an der Universität wieder den Weg zur Literatur zurück und übersetzte im letzten Jahrgang zwei Novellen, nur so zur Übung. Das bereitete mir zwar Freude, ich war aber davon überzeugt, dass meine Kompetenz dafür nicht reicht. Das sollten andere machen. Deswegen ließ ich das beiseite, bis ich in der damaligen Bibliothek Delavska knjižnica zu arbeiten begann. Allmählich fing ich an zu übersetzen und lernte Drago Bajt kennen, der Redakteur bei Radio Ljubljana war und mich gebeten hatte, ihm eine Übersetzung zu bringen. Nach den ersten zweien meinte er, sie seien sehr gut und ich solle ihm weitere bringen – das waren meine Anfänge. Danach kam ich über Ivan Minatti (slowenischer Dichter, ehemaliger Redakteur beim Verlag Mladinska Knjiga) an mein erstes Buch. Er wollte, dass ich Karl May übersetzte, hatte jedoch seine Zweifel, da ich gerade vor meinem Wehrdienst war und deshalb nicht sicher war, ob ich es zeitlich schaffen würde. Ich übersetzte dann zunächst eine Jugenderzählung.

Etwa ein Jahr später benötigte Moder (Janko Moder, slowenischer Übersetzer) einen Übersetzer für die Nobelpreisträger und jemand flüsterte ihm meinen Namen zu. Es folgten einige Wochen Unterricht, guter Unterricht, mein Talent überraschte ihn. Seine drei einzigen Kommentare waren: das ist nichts, das ist Papier, das ist ein Kroatismus, oh, schau dir mal den Jungen an! – das war sein höchstes Kompliment. Ich besuchte ihn ungefähr 14 Tage. Vor allem aber musste ich eine Probeübersetzung machen, damit er sich überhaupt entscheiden konnte, ob er mich will. Jeder von uns übersetzte dann einen Roman von Carl Spitteler und am Ende meinte er, dass er meinen Text ziemlich gelungen fände, während ihm seiner  misslang.

Langsam kam ich zu Mladinska knjiga, zu Aleš Berger, wo ich Die letzte Welt von Christoph Ransmayr übersetzt habe. Da fand ich einen Autoren, der den musikalischen Satz vollkommen adoptierte. Melodie, reiner Wortlaut – darin fühlte ich mich wohl. Mit dieser Übersetzung machte ich auf mich aufmerksam.

Als ich später weiterstudieren wollte, wollte ich mich zuerst den Inszenierungen von Schillers Werken in Slowenien widmen. Je mehr ich recherchiert habe, desto mehr zog es mich zum Übersetzen. Ich fragte mich, ob man das Bevorzugen sämtlicher übersetzerischer Lösungen argumentieren kann. Oft habe ich während des Übersetzens geahnt, dass es eine bessere Lösung gibt, die ich später auch fand – was ganz intuitiv war und sich als passender erwies, ich war mir jedoch nicht sicher, ob man dieses Phänomen auch rationell verteidigen kann. Kantig, plump, elegant – kann man das wissenschaftlicher ausdrücken? Immer mehr zog es mich in die andere Richtung, so dass der Titel meiner Magisterarbeit am Ende »Die Grundlegenden Aspekte und Prinzipien der literarischen Übersetzung« lautete und später auch als Monografie erschienen ist.

Sie waren einige Zeit lang auch als Professor an der Philosophischen Fakultät tätig – sind Sie der Meinung, dass es wichtig ist, Literaturübersetzer zu schulen? In Slowenien haben wir solche Programme nicht …

Praktische Übungen – ja, Vorlesungen als solche – nein. Wichtig sind vor allem Talent, Erfahrung (vor allem beim Lesen) und Fleiß. Es ist natürlich wichtig, dass dir jemand einiges erklärt, doch nicht in Form von konventionellen Vorlesungen und Fortbildungen. Jeder, der die komplexe Geschichte der literarischen Übersetzung rationalisieren wollte, käme nicht an der Verallgemeinerung vorbei. Es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen, woher bestimmte Regeln kommen und ich befürworte praktisches Training, bezweifle jedoch, dass wir mit einem besonderen Lehrstuhl dafür bessere Literaturübersetzer hätten. Die Theorie neigt gerne dazu, in den Formalismus hineinzurutschen. Diese Sachen sind sehr komplex, die Faktoren manchmal umgekehrt proportional, wegen des einen wäre es besser, so zu übersetzen, wegen des anderen gerade umgekehrt. Ein banales Beispiel sind Fremdwörter – manche meiden sie um jeden Preis, ich glaube aber, wir sollten ihnen gegenüber toleranter sein, da sie manchmal neue Gebiete öffnen können und sprachliche und semantische Felder spezifizieren.

Ein Merkmal Ihres Forschens ist genau das – Sie möchten die Theorie des Übersetzens mit ihrer Praxis verbinden.

Meine Theorie geht aus gründlichem Beobachten hervor, wie der Prozess des Übersetzens tatsächlich verläuft, während die formelle Theorie aus Voraussetzungen entwickelt wird, wie er verlaufen sollte. Hier kommt es zu großen Unterschieden.

Eines der Prinzipien, die Sie aufzählen, ist auch das Prinzip der Unerkennbarkeit der Übersetzung als solcher – wie erkennbar soll der Übersetzer als Künstler sein?

Die optimale Antwort auf diese Frage ist dialektisch. Der Übersetzer soll möglichst unerkennbar sein und damit bemerkt werden. Ich habe einmal gesagt, dass der Übersetzer eine ähnliche Rolle wie der Schiedsrichter beim Fußball spielt – je unauffälliger, desto besser.

Durch die Unerkennbarkeit wird man erkennbar. Natürlich ist nicht alles schwarz-weiß. Ein Literaturübersetzer muss auch ein Künstler sein, sich neue, innovative Lösungen ausdenken.

Russische Formalisten haben gesagt: Literatur, die abliegt, ist keine Literatur mehr. Aleš Berger, zum Beispiel, ist so ein Übersetzer, der alles ein bisschen anders formuliert, ein bisschen innovativer, was ich auch als große Qualität sehe.

Es ist gut, dass die Übersetzer auf den Buchumschlägen geschrieben stehen, weil es sich bis zu einem gewissen Maß um einen Autorentext handelt – zwar nicht in Bezug auf den Ausgangstext, in Bezug auf den Text an sich aber schon. Wir als Verband (Verband der Slowenischen Literaturübersetzer) haben uns lange dafür eingesetzt.

Sie haben, unter anderem, auch den Sovre-Preis für die Übersetzung des Werkes »Wilhelm Meisters Lehrjahre« bekommen. Denken Sie, dass Preise, Kritiken und Bewertungen für Übersetzer wichtig sind? Ich habe das Gefühl, dass die Übersetzerkritik bei uns nicht gerade vorhanden ist?

Über die Qualität der Übersetzung korrekt zu schreiben ist so anspruchsvoll wie das eigentliche Übersetzen. Man nimmt sich sehr kaum die Zeit dazu. Es gibt flüchtige, auf die Schnelle geschriebene Kritiken, das ist aber auch schon alles. Wenn jemand wirklich etwas falsch macht, findet man schnell einen Kommentar. Mir liegen bestimmte Übersetzer sehr am Herzen und ich würde gerne etwas Gutes über sie schreiben, aber eine Übersetzung zu studieren und zu vergleichen – damit hat man sehr viel Arbeit. Mir als Leser ist es sehr wichtig, dass der Übersetzer unerkennbar ist und dass die Literatur in der Übersetzung gleichwertig zur Literatur im Original bleibt. Für eine genauere Analyse müssten wir das Original mit der Übersetzung vergleichen – dafür bräuchten wir eine Person, die wenigstens so kompetent ist wie der Übersetzer selbst. Besser noch, er wäre noch kompetenter. Es gibt aber auch Kritiken, bei denen der Kritiker nicht kompetent genug ist und auf die Schnelle etwas einwirft, sich erheben will, auch das passiert. Solche Kritiken sind natürlich unkorrekt. Auf diesem Gebiet passiert also schon was, aber nichts Ganzheitliches. Für eine faire und komplexe Kritik wird außerdem niemand zahlen.

Ist Ihnen ein Autor oder eine Autorin, den/die Sie übersetzt haben in besonderer Erinnerung geblieben?

Sicherlich Ransmayr, er ist einer der musikalischsten Autoren, die ich kenne. Vor zwei Jahren habe ich ihn wieder übersetzt, seinen hervorragenden Roman über den Alpinismus Der fliegende Berg. Auch Robert Schneider, der einen Roman über einen genialen Musiker am Anfang des 19. Jahrhunderts geschrieben hat, ist mir in Erinnerung geblieben. In der Übersetzung habe ich unbewusst die Rolle eines kirchlichen Chronisten angenommen. Saša Vuga (slowenischer Schriftsteller, Dramaturg und Szenarist) sagte mir dann einmal, dass er diese Übersetzung die ganze Zeit als Original zu lesen glaubte. Die größte Herausforderung war für mich wahrscheinlich Musil, da sein Schreiben ein wenig irrational ist, mir war lange nicht klar, wie die Sätze bei ihm zusammengesetzt werden. Ich glaube jedoch, dass am Ende ein ganz solider Text entstand.

Wie wichtig ist für Sie der interkulturelle Austausch – zwischen jungen Übersetzern, Übersetzer-Residenzen und ähnliche Programme?

Mir hat das schon aus sprachlicher Sicht sehr geholfen, man lernt viele neue Menschen kennen, knüpft Kontakte, wird weltmännischer in seinem Wesen.

Hätten Sie zum Schluss vielleicht noch einen Tipp für die jungen Übersetzer?

Man muss sich bewusst sein, dass man nicht von Papier auf Papier übersetzt, sondern aus einer literarischen Situation in eine literarische Situation, wir übersetzen die Wirkung, und nicht Wörter, Sätze, Kontext. Dieser Übergang ist sehr wichtig, da es sich sonst nicht um einen gleichwertigen Text handelt. Das ist mehr als Gleichheit, denn die gibt es nicht. Gleichwertigkeit bedeutet, dass die Wirkung auf der linken Seite der Waage ungefähr gleich wie die auf der rechten Seite ist. Früher dachte ich mir beim Übersetzen, wo ich etwa nicht weiter wusste: »dort steht es ja auch so, ich mache das Gleiche – ich weiß zwar nicht ganz warum …«. Jetzt weiß ich, dass man sich eine Vorstellung machen muss, auch wenn sie nicht immer ganz richtig ist, und dann im Zusammenhang mit dieser übersetzen.

von Irena Smodiš

One Response to Štefan Vevar

  1. Katja
    20. 2. 2015 at 6:42 pm

    Toll.

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