Peter Rychlo

1. 8. 2013

08_2013_Rychlo_Foto©Olha Kravchuk1Peter Rychlo
Foto © Olha Kravchuk

In der ukrainischen Übersetzerlandschaft ist Peter Rychlo aus Czernowitz in der Tat eine herausragende Kapazität und zugleich eine Ausnahmeerscheinung. Das ganze deutschsprachige literarische Erbe der Bukowina und zahlreiche klassische und moderne Literaturwerke werden dank seinem unermüdlichen übersetzerischen Engagement nach und nach den ukrainischen Lesern in ihrer Muttersprache zugänglich gemacht.

Doch der ganze lange Prozess, welcher dem Erscheinen eines jeden Werkes in einer anderen Sprache vorausgeht, bleibt den Lesern verborgen. Die Arbeit des Übersetzers geschieht in der Regel in der stillen Stube, unsichtbar für andere. Für den Übersetzer selbst ist dies laut Friedrich Nietzsche „ein Tanz in den Ketten“. Es ist eine kolossale Herausforderung, denn „die Übersetzung ist kein einfaches Austauschen der Wörter, sie ist Erschaffung neuer Welten, die bis dahin in der Zielsprache gar nicht existierten“, so Peter Rychlo.

Den besonderen Reiz dieser Tätigkeit, die die Entstehung neuer Welten zur Folge hat, verspürte Peter Rychlo zum ersten Mal bereits in der Schule, als er ein deutsches Gedicht aus einem Lehrbuch übersetzte. Es muss eine Liebe auf den ersten Blick gewesen sein – zwischen dem jungen Schüler und der deutschen Sprache, eine Liebe, die lebenslang hält.

Nach dem Abitur in seinem Heimatort Schyschkiwzi (Gebiet Czernowitz) nahm er das Germanistikstudium an der  Universität Czernowitz auf und schloss es 1972 mit Diplom ab. Seit 1976 ist Peter Rychlo am Lehrstuhl für ausländische Literaturgeschichte und Literaturtheorie der Universität Czernowitz tätig. 1988 promovierte er über die Rezeption der nationalen literarischen Tradition in der Lyrik von Stephan Hermlin, 2007 habilitierte er mit dem Thema „Paul Celans dichterisches Werk als Intertext“.

Peter Rychlo lebt und arbeitet in Czernowitz. Zu seinen wichtigsten wissenschaftlichen und Übersetzungsarbeiten der letzten Zeit zählen „Poetik des Dialogs. Paul Celans Dichtung als Intertext“  (Czernowitz 2005), „Schibboleth. Jüdische Identitätssuche in der deutschsprachigen Dichtung der Bukowina“ (Czernowitz 2008), „Europa erlesen: Czernowitz“ (Klagenfurt 2004), „Die verlorene Harfe: Eine Anthologie deutschsprachiger Lyrik aus der Bukowina“ (Czernowitz, 2., erweiterte Auflage 2008), „Literaturstadt Czernowitz“ (Gestaltung von Oleh Ljubkiwskyj)  (Czernowitz, 2. Auflage 2010).

Peter Rychlo übersetzte ins Ukrainische mehrere lyrische Werke der deutsch-jüdischen Literaten aus der Bukowina und entdeckte zugleich viele verschollene Autoren auch für den deutschen Leser. Er setzte viele Namen und eine ganze einzigartige kulturelle Schicht aus der untergegangenen deutschsprachigen Sprachinsel Czernowitz an unser Ufer der Gegenwart über. Zu verdanken sind ihm auch zahlreiche Übersetzungen deutscher, österreichischer und schweizer Autoren in ukrainischen Zeitschriften, Anthologien und Almanachen: Friedrich Schiller, Heinrich Heine, Georg Heym, Carl Einstein, Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Georg Maur, Stephan Hermlin, Leopold von Sacher-Masoch, Alexander Roda Roda, Ingeborg Bachmann, Franz Fühmann, Günter Kunert, Volker Braun, Sarah Kirsch, Uwe Kolbe, Mario Wirz, Dur Grünbein, Gerhard Falkner, Brigitte Oleschinski, Julian Schuttin, Peter Waterhouse, Ingeborg Kaiser, Andreas Saurer u. a. Die übersetzte Werke von Karl Emil Franzos, Jura Soyfer, Manes Sperber, Karl Lubomirski, Georg Drozdowski, Gregor von Rezzori, Rose Ausländer, Paul Celan, Josef Burg, Aharon Appelfeld und andere sind in Buchform erschienen.

Aus den letzten Veröffentlichungen könnte man die Übersetzung des Briefwechsels zwischen Paul Celan und Ingeborg Bachmann „Die Herzzeit“ sowie Paul Celans Gedichtband „Mohn und Gedächtnis“ nennen. Demnächst sollen auch weitere Übersetzungen des lyrischen Werkes von Paul Celan erscheinen.

Für die umfangreiche Übersetzungs-, Forschungs- und Lehrtätigkeit und für seine Verdienste auf dem Gebiet des interkulturellen Dialogs wurde Herrn Professor Peter Rychlo das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Die Auszeichnung wurde 2012 im Rahmen des III. Internationalen poetischen Festivals „Meridian Czernowitz“ verliehen. Mit dieser Auszeichnung wird die umfangreiche Übersetzungs-, Forschungs- und Lehrtätigkeit eines großen Experten deutschsprachiger Literatur gewürdigt. Das ist verdiente Anerkennung der Tätigkeit von Peter Rychlo und seines wichtigen Beitrags zur ukrainischen Germanistik.

 von Mykola Lipisivitskij und Olha Kravchuk

One Response to Peter Rychlo

  1. 25. 10. 2013 at 8:31 pm

    Bin zur Zeit gerade in Czernowitz und habe Prof. Peter Rychlo auf der Universität besucht. Er hat einige meiner Gedichte ins Ukrainische übersetzt und ich bin beeindruckt, dass er bis zum 100. Geburtstag alle Gedichtbände von Paul Celan ins Ukrainische übersetzen wird. Der erste Band aus dieser Serie ist in diesem Jahr erschienen: Mohn und Gedächtnis.

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