Deutschlandradio (5. Oktober 2014): Russische Literatur im Kalten Krieg

5. 10. 2014

Sonntag, 5. Oktober 2014, Deutschlandradio Kultur (zum Beitrag)

Getrennt vereint: Das deutsch-deutsche Gespräch über russische Literatur vor dem Mauerfall.

Von Eveline Passet

Die Rezeption der russischen Literatur im deutschsprachigen Raum war von Anfang an mehr durch politische als durch ästhetische Erwägungen geprägt. Mit der Teilung Europas verschärfte sich dies noch einmal. Völlig unbekannt blieb, wie die Russisch-Übersetzer den “Eisernen Vorhang” durchlöcherten. /…/

Call for Papers: Conference, Translating the Literatures of Small European Nations

19. 9. 2014

Clifton Hill House, University of Bristol, September 7th-9th 2015

Conference Organisers: Dr Rajendra Chitnis (Bristol), Dr Rhian Atkin (Cardiff), Professor Zoran Milutinovic (SSEES, University College London) and Dr Jakob Stougaard-Nielsen (University College London)

The literatures of smaller European nations, written in less well-known languages from less familiar traditions, all depend on linguistic and cultural translation to be heard by the wider world. Researchers in individual national literatures, comparative literature or translation studies, however, generally work in parallel and even in competition, divided along linguistic, geographical and disciplinary lines, and are unused to examining the precise nature and implications of this shared situation. As a result, some may view the situation of a given national literature too narrowly, while others, in imagining a supranational organisation of literature, fail to consider how the literatures of Europe’s smaller nations might become part of it.

The aim of this conference is to bring these groups together to explore comparatively the mechanisms through which the literatures of small European nations endeavour to reach the cultural mainstream, and to examine the extent to which these literatures may constitute a specific ‘literary system’ in their relationship with that mainstream. We invite papers that address the following questions:

  1. How are the literatures of small European nations translated across borders? Who are the main actors in the translation of the literature of small nations? How do they perceive their role? What role do national and international institutions, funds and prizes play?
  2. What are the opportunities for and barriers to wider European dissemination through translation of the literatures of smaller nations or peripheral regions?
  3. How valid is the ‘centre and periphery’ model when applied to the cultural dynamics of translation in European literature? How far and in what ways do perceived ‘peripheries’ interact without recourse to the ‘centre’?
  4. How does the international reception of the literatures of small European nations influence canon formation, the writing of literary history and a nation’s perception of its literature and literary status?
  5. What is the role played by cultural stereotypes, defining historical episodes, dominant single figures or genres and other ‘international shorthand’? To what extent do they hinder or facilitate the translation process?

Papers may approach these questions from a variety of disciplinary and theoretical perspectives, including but not limited to literary and cultural history and theory, sociology and translation studies, and may draw on the current or historical experience of one or more national literatures.

The conference organisers also invite applications from current UK-based doctoral students who do not wish to give a full paper, but would like to attend the conference as a fully funded delegate and work with other selected postgraduates on a group presentation to be prepared during the conference and delivered on the final day. Applicants should submit a statement (c.500 words) outlining their current research and its relevance to the themes of the conference, and two academic letters of recommendation to Dr Rajendra Chitnis (R.A.Chitnis@bris.ac.uk) by December 5th 2014.

This conference is a core part of an AHRC-funded Translating Cultures research project, and organisers aim to meet in full the travel, accommodation and conference fee costs for all speakers chosen by the organisers. The organisers will invite selected speakers to revise their papers for inclusion in chapter form in an edited volume arising from the project.

Please send paper titles and abstracts (c.200 words) to Dr Rajendra Chitnis (R.A.Chitnis@bris.ac.uk) by December 5th 2014.

Claudia Dathe in der NZZ: In Lemberg ist Buchmesse – in Donezk ist Krieg

18. 9. 2014

Während in der Ostukraine die Waffen einstweilen schweigen, diskutiert die ukrainische Öffentlichkeit darüber, wie es weitergehen soll. Die Buchmesse in Lemberg setzte beeindruckende Zeichen.

Alexandra Koval, die Geschäftsführerin des Lemberger Verlegerforums, hatte die Garnisonskirche für die offizielle Eröffnung gewählt. Die Kirche, die zu sowjetischen Zeiten als Außenstelle der Stefanyk-Bibliothek gedient und Tausende von Büchern beherbergt hatte, bot einen gesetzten und andächtigen Rahmen für den Auftakt – die Veranstalter wollten spürbar werden lassen, dass der Krieg im Osten des Landes nicht ausgeblendet werden soll, sondern im Gegenteil den Dreh- und Angelpunkt des Nachdenkens über die Situation der ukrainischen Gesellschaft bildet.

Lesen Sie den ganzen Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 18. September 2014.

Diamantenschliff – Wettbewerb für Literaturübersetzer in Polen

10. 9. 2014
Die Goethe-Institute in Warschau und Krakau, das Österreichische Kulturforum in Warschau, das Polnische Institut in Berlin und die Abteilung für Literatur und Kultur Deutschlands, Österreichs und der Schweiz der Universität Łódź schreiben einen Wettbewerb für die beste Übersetzung eines Werks der deutschen und österreichischen Literatur ins Polnische aus. Der Wettbewerb richtet sich an angehende Literaturübersetzer und -übersetzerinnen, die bereits über eigene Veröffentlichungen verfügen.
Prämiert werden die Gewinner mit zwei Residenzstipendien, belletristischen Werken und Veröffentlichungen in der elektronischen Ausgabe der Zeitschrift RADAR.
Die Veranstalter stellen vier Prosatexte zur Wahl, von denen zwei ausgewählt, übersetzt und an folgende Adresse geschickt werden sollen:  konkurs@literatur.pl.
Einsendeschluss ist der 15. November 2014.
Weitere Informationen sowie die zu übersetzenden  Texte finden Sie unter www.literatur.pl und im TransStar-Newsletter 3/2014.

“landšaft” mit Luhmann

8. 9. 2014

Eine jungfräuliche (TransStar- und überhaupt-)Bloggerin, angehalten einen Blogbetrag in der Kategorie „Kulturlandschaft“ beizutragen, fragt sich an dieser Stelle …

Was ist eine Kulturlandschaft? Und wie schreibe ich etwas dazu – gerade und nicht zuletzt im thematischen Orbit des Literarischen Übersetzens von und nach Osteuropa?

„Eine Kulturlandschaft ist eine vom Menschen geprägte und überformte Landschaft, die im Laufe der Zeit entstanden ist und einem ständigen Wandel unterliegt.“ (Universität Innsbruck, Geografie)

„…die durch menschliche Arbeit veränderte Landschaft.“ (Wahrig, Wörterbuch der deutschen Sprache)

„… die dauerhaft vom Menschen geprägte Landschaft. Zusammen mit dem gegensätzlichen Begriff „Naturlandschaft“ entsteht ein komplementäres Begriffspaar.“ (Wikipedia)

Der Begriff der Kulturlandschaft als etwas Geprägtes, Verändertes, Umgestaltetes steht also in einer komplementären Struktur, an deren anderen Ende die Natur, das Naturbelassene, das Unveränderte, das Ursprüngliche steht.

Interessant scheint hierbei – für unseren Kontext zumindest – folgendes:

Mit Luhmann ist jede definitorische Setzung eine komplementäre Differenzierung, so wie jedes System sich von der Umwelt (aus)differenziert, indem es sich selber als solches definiert. Damit ist auch das, was bei obiger dichotomischen Struktur Natur ist, eine Frage der Setzung, die spezifische (diskursive) Funktionen ausübt. Die Naturlandschaft existiert erst, seitdem die Kulturlandschaft als solche definiert wurde. Und umgekehrt. (Dass dabei beide Entitäten in kontinuierlicher Veränderung begriffen sind, kann in dem Moment ausser Acht gelassen werden.)

Ersetzen wir die Begriffe Naturlandschaft und Kulturlandschaft nun durch Originaltext und Übersetzung, ergibt das, dass ein Original(text) nur aus der Sicht der Übersetzung als solcher betrachtet wird und umgekehrt. Wenn die Übersetzung mit Luhmann des Weiteren als eine Beobachtung zweiten Grades verstanden wird, da sie quasi beobachtet, wie das System sich selbst beobachtet, wie also der Text die Welt aber auch sicher selber beschreibt und erfasst, ist die Übersetzung damit im Eigentlichen nicht eine genuine Kulturlandschaft?

Interessant ist nicht zuletzt, dass die landšaft der Slaven stets nur ein Gemälde, also ein Bild bzw. eine Abbildung unserer Landschaft meint. Womit wir wieder bei Luhmann und seiner systemischen Umweltbetrachtung wären.

von Anna Hodel

Die letzten Worte von Bohumila Grögerová

5. 9. 2014

Die bekannte tschechische Dichterin und Übersetzerin ist Ende August verstorben. Ihr letztes Buch „Mein Labyrinth“ erschien am Tag ihres Todes.

Eine der einflussreichsten und auch spielerischsten Persönlichkeiten der tschechischen Literatur ist im Alter von 93 Jahren in Prag verstorben. Seit den fünfziger Jahren arbeitete sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten Josef Hiršal und sie machten sich als Vertreter der experimentellen Literatur einen Namen. In der Tradition von Mallarmé, Chlebnikov oder Apollinaire schufen sie in den sechziger Jahren lyrische Kreationen, die neben der semantischen Ebene auch die visuelle Qualität der Aussagen berücksichtigten (z. B. im Buch „JOB-BOJ“). Weiter bekannt von dem besonders schöpferischen Paar sind auch „Trojcestí“ oder die gemeinsamen Memoiren „Let let“.

Wichtig war auch ihre gemeinsame übersetzerische und editorische Arbeit. Zusammen mit Josef Hiršal übertrug Bohumila Grögerová neben den französischen Dichtern auch viele bekannte deutschsprachige Autoren ins Tschechische: Christian Morgenstern, Ernst Jandl, Hans Magnus Enzensberger, Helmut Heißenbüttel oder Friederike Mayröcker. Für die übersetzerische Tätigkeit erhielten sie 1988 den Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzer und zweimal den tschechischen Josef Jungmann Preis.

Das letzte Buch von Bohumila Grögerová „Můj labyrint“ knüpft an die vorherigen zwei selbstständig herausgegebenen Erinnerungsbände an, „Rukopis“, für welches sie 2009 den tschechischen literarischen Preis „Magnesia Litera“ erhielt, und „Dva zelené tóny“. Sie beschäftigte sich zum Ende ihres Lebens mit dem Altwerden und thematisierte ihre fortschreitende Blindheit, die ihr als Menschen, der sich seit sechzig Jahren mit Literatur beschäftigte, die Möglichkeit zum Schreiben und Lesen nahm. Bohumila Grögerová war bis zu den letzten Jahren literarisch aktiv geblieben und die tschechische Literatur hat mit ihrem Abschied eine große Persönlichkeit verloren.

 von Anna Koubová

 

Quellen:

JAREŠ, Michal. Grögerová, Bohumila: Rukopis. Iliteratura.cz [online]. [2014-08-30]. http://www.iliteratura.cz/Clanek/24049/grogerova-bohumila-rukopis-

KOPÁČ, Radim. Bohumila Grögerová. Czechlit.cz [online]. [2014-08-30]. http://www.czechlit.cz/res/data/069/009660.pdf

NOVOTNÝ, Vladimír a Karel PIORECKÝ. Bohumila Grögerová. In: Slovník české literatury po roce 1945 [online]. [2014-08-30]. http://www.slovnikceskeliteratury.cz/showContent.jsp?docId=1013&hl=gr%C3%B6gerov%C3%A1+

Der 3. Internationale Übersetzerkongress in Moskau – Erklärung (Christiane Körner und Gabriele Leupold)

3. 9. 2014

Erklärung / Заявление (unten)

Der dritte Internationale Kongress der Literaturübersetzer steht unter dem Motto:

Перевод как средство культурной дипломатии. Wir Übersetzer als Vertreter der Kulturdiplomatie fühlen uns aufgerufen, in einer Situation, die Kultur und Diplomatie in ganz neuer Weise bedroht, Stellung zu beziehen.

Wir drücken unser Entsetzen und unseren Schmerz über die Ereignisse in der Ukraine und über die militärische wie propagandistische Beteiligung Russlands an diesen Ereignissen aus. Wir protestieren aufs Schärfste gegen die Politik der russischen Regierung, gegen die militärische Invasion in der Ukraine und gegen die Hasspropaganda, die die Realität verzerrt und die Menschen zu Gewalt aufruft.

Es kann nicht im Interesse der Kulturnation Russland liegen, vermeintliche Größe über Aggression, Annexion und Ideologisierung gewinnen zu wollen. Es kann nicht das Interesse der Menschen in Russland sein, einen Bruderkrieg zu führen, der nichts als Tod, Leid, Zerstörung und Entfremdung bringt.

Die Ukraine und Russland teilen eine jahrhundertelange Geschichte und sind über Sprache, Religion und Traditionen, über verwandtschaftliche und kollegiale Beziehungen eng miteinander verbunden. Insbesondere russische Medien verneinen und unterminieren diese gemeinsame Geschichte seit Monaten und reißen tiefe Gräben auf. Der Krieg zwischen den beiden Ländern wird die Verbundenheit vollends und auf unabsehbare Zeit zunichte machen.

Übersetzer als Mittler zwischen den Kulturen sind unserer Ansicht nach verpflichtet, Frieden, Gewaltfreiheit und die Freiheit des Wortes zu unterstützen und sich gegen die Lüge zu wenden. Denn Übersetzung kann nur als freier Transfer zwischen Sprachen, Gedanken, Weltanschauungen und Kulturen gelingen.

Wir alle, sowohl die zu diesem Kongress angereisten Russisch-Übersetzer, die der russischen Kultur seit Jahren oder Jahrzehnten innig verbunden sind, als auch die russischen Übersetzer aus verschiedenen Sprachen, haben uns hier versammelt, weil wir den Dialog mit Kollegen aus aller Welt führen und weiterführen wollen. Wir Unterzeichnenden äußern unseren Protest, weil wir glauben, dass die jetzige russische Regierungspolitik sich gegen friedlichen Austausch, freie Aussprache und die Politik der Diplomatie richtet und damit auch gegen die Interessen aller Menschen in Russland.

Christiane Körner
Gabriele Leupold
1. September 2014

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Russisch:

Заявление

Третий международный конгресс переводчиков художественной литературы проходит под лозунгом «Литературный перевод как средство культурной дипломатии». В сегодняшней ситуации, когда существованию культуры и дипломатии угрожает невиданная ранее опасность, мы, переводчики как представители культурной дипломатии, остро сознаем  обязанность высказать свое отношение к происходящему.

Мы выражаем ужас и боль по поводу событий на Украине и по поводу участия России в этих событиях– как военного, так и пропагандистского. Мы выражаем решительный протест против политики российского руководства, против военного вторжения в Украину, против пропаганды ненависти, которая искажает реальность и призывает людей к насилию.

Невозможно поверить, что попытки добиться мнимого величия с помощью агрессии, аннексии и идеологической борьбы отражают интересы России как культурной нации. Не может быть, чтобы братоубийственная война, несущая лишь смерть, страдания, разрушение и отчуждение, отражала интересы российского общества.

Украина и Россия имеют многовековую общую историю, тесно связаны языком, религией, традициями, родственными и профессиональными отношениями.  Многие месяцы российские CМИ  отрицают и подрывают эту совместную историю, роют глубокие рвы между двумя народами. Война между Россией и Украиной грозит на непредсказуемо долгий срок полностью уничтожить всякое чувство общности.

Долг переводчика как посредника между культурами – содействовать миру, свободе слова; открыто выступать против насилия и лжи. Перевод возможен лишь как свободный трансфер языков, идей, культур и мировоззренческих установок.

Мы все, как приехавшие на конгресс переводчики-русисты, связанные с русской культурой многолетними отношениями сердечной привязанности и любви, так и российские переводчики с разных языков, собрались здесь, потому что хотим и впредь продолжать диалог с коллегами всего мира. Мы, нижеподписавшиеся, выражаем свой протест, ибо считаем, что сегодняшняя политика российского государства вредит мирному культурному обмену, свободе высказывания и политике дипломатии, а тем самым вредит интересам всего российского общества.

01. 09. 2014

Christiane Koerner
Gabriele Leupold

Chamisso, Döblin, Doderer & Co.

31. 8. 2014

Saša Stanišić wurde 1978 in Višegrad in Bosnien und Herzegowina geboren und lebt seit 1992 in Deutschland. Er studierte Deutsch als Fremdsprache und Slawistik an der Universität Heidelberg sowie am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Mit seinen Romanen Wie der Soldat das Grammofon repariert (2006) und Vor dem Fest (2014) gehört Saša Stanišić zu den bedeutendsten zeitgenössischen Literaten im deutschsprachigen Raum.

In seinem melancholischen Debütroman Wie der Soldat das Grammofon repariert erzählt der „Fähigkeitenzauberer“ Aleksandar Krsmanović Geschichten aus seiner Kindheit, Geschichten über das Heranwachsen in der bosnischen Stadt Višegrad, den Kriegsausbruch, beschreibt Ausschnitte aus dem Leben seiner nach Deutschland geflüchteten Familie. Das Buch ist prall gefüllt mit Erinnerungen an eine Stadt, einen Fluss, an die Menschen, denen das Buch gewidmet ist. Nach zehn Jahren in Deutschland reist Aleksandar, nun als erwachsener Mann, in seine Heimatstadt zurück. Er hat Listen gemacht: Menschen und Orte, Schritte, Kneipen, Straßen, sogar Gerüche stehen auf dem Papier. Er sucht die Punkte von seiner Liste nacheinander auf, in der Hoffnung, alles Verlorene so vorzufinden, wie in Zeiten als alles gut war. Mit dem Satz „Wir sind traurig“ beginnt der zweite Roman von Saša Stanišić. Vor dem Fest erzählt zunächst von einem Todesfall, doch ist das Buch keine pathetische Erinnerung an vergangene Zeiten, vielmehr eine liebevolle Hommage an Menschen und Gegenden, die so authentisch und schön sind, dass sie zeit- und grenzenlos erscheinen und denen der Autor mit viel Aufmerksamkeit und einer kunstvollen Sprache immer wieder neues Leben einflößt.

Neben seinen von Lesern und Kritikern gleichermaßen geliebten Romanen fand Saša Stanišić auch mit Erzählungen, Essays, Hörspielen und Theatertexten Beachtung. Für sein literarisches Schaffen wurde der junge Autor u. a. 2008 mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis und dem Förderpreis zum Heimito von Doderer-Literaturpreis geehrt, war in den Jahren 2006/2007 Stadtschreiber von Graz, erhielt 2013 den Alfred-Döblin-Preis für das Romanmanuskript Anna und wurde für seinen zweiten Roman Vor dem Fest mit dem diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.

Demnächst wird Saša Stanišić bei Lesungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu hören sein. Mehr lesen Sie hier.

 von Daniela Čančar

Maria Janion: Die Polen und ihre Vampire

26. 8. 2014

Die Literaturwissenschaftlerin und Publizistin Maria Janion gilt in Polen nicht nur als die wichtigste Romantikforscherin, sondern auch als einflussreiche Intellektuelle, die sich schon seit vielen Jahrzehnten in das kulturelle Geschehen einmischt und zu kontroversen Themen etwas zu sagen hat. Und zwar auf ihre ganz eigene Art. Die Romantik, so Janions wahrscheinlich prominenteste These, sei in Polen nicht etwa wie in den anderen Ländern Europas mit dem 19. Jahrhundert zu Ende gegangen, sondern wirke noch immer als grundlegendes Paradigma fort. So entflamme auch im 21. Jahrhundert bei Bedarf noch der polnische Messianismus, wie zuletzt nach dem Flugzeugunglück von Smolensk. Auch sei bei den Polen ein Hang zu Vampiren und anderen Schreckgestalten unverkennbar. Mit Einsichten dieser Art, die Janion plausibel zu erklären und eingängig zu illustrieren versteht, prägte sie das kulturelle Bewusstsein ihrer Studenten und Leser und veränderte die geisteswissenschaftliche Landschaft Polens nachhaltig.

Erstaunlicherweise war Maria Janions Name hierzulande bislang auf keinem Buchdeckel zu entdecken; bloß einige wenige ihrer Texte sind im Laufe der letzten vierzig Jahre auf Deutsch erschienen – eher zufällig, unauffällig, verstreut. Seit diesem Sommer nun ist endlich mehr von Maria Janion zu lesen: Unter dem Titel „Die Polen und ihre Vampire“ ist in der Reihe „Denken und Wissen“ des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt eine Sammlung von Aufsätzen aus dem Spätwerk der inzwischen 88-jährigen Autorin erschienen. Die Potsdamer Polonistin Magdalena Marszałek führt in einem Vorwort in Leben und Werk Janions ein; übersetzt wurden die Texte von Bernhard Hartmann und Thomas Weiler. Nicht zuletzt dank der gelungenen Übertragung Janions geistreich-gehaltvoller und zugleich flüchtig-leichtfüßiger Sprache ins Deutsche ist ein schönes Buch daraus geworden, das sowohl zum Begleiter eines späten Sommerurlaubs taugt als auch für genügend Anregung an langen Herbstabenden sorgt.

von Melanie Foik

Die „zyklische“ Übersetzungsgeschichte

18. 8. 2014

Das Dilemma zwischen der freien oder treuen Übersetzung, der dynamischen oder formalen Äquivalenz, dem Einbürgern oder Verfremden usw. ist mehr als zwei Jahrtausende alt. Für die Zeit der Römischen Republik war das zieltextorientierte Übersetzen charakteristisch – den bekanntesten Beweis dafür findet man in Ciceros Aufsatz „De Optimo Genere Oratorum“. Laut David Movrin kann man zu dieser Zeit gar nicht vom Übersetzen im heutigen Sinne sprechen, sondern von Aemulatio – einer »wetteifernder Nachahmung« (2010: 25). Die Elite von damals war nämlich im Stande griechische Literatur im Original zu lesen und deshalb gab es keinen Grund für „treue“ Übersetzungen; man wollte stattdessen das griechische Original übertreffen, womit die Ausdruckskraft von Latein bezeugt werden sollte (ebd.). Die Übersetzungsstrategien im alten Rom wurden auch von Friedrich Nietzsche in seinem Werk Die fröhliche Wissenschaft angesprochen:

Sie kannten den Genuss des historischen Sinnes nicht; das Vergangene und Fremde war ihnen peinlich, und als Römern ein Anreiz zu einer römischen Eroberung. In der That, man eroberte damals, wenn man übersetzte, — nicht nur so, dass man das Historische wegliess: nein, man fügte die Anspielung auf das Gegenwärtige hinzu, man strich vor Allem den Namen des Dichters hinweg und setzte den eigenen an seine Stelle — nicht im Gefühl des Diebstahls, sondern mit dem allerbesten Gewissen des imperium Romanum.

In den ersten Jahrhunderten unseres Zeitalters hat sich Latein jedoch etabliert und die Griechischkenntnisse im Römischen Reich haben sich verschlechtert, deshalb wurde Aemulatio weniger relevant (Movrin 2010: 63). Auch die Bibelübersetzer haben die Veränderung der Übersetzungsstrategie beeinflusst; sie waren der Meinung, dass man sich beim Übersetzen des Wortes Gottes keine Freiheiten erlauben dürfe. Sogar der heilige Hieronymus, ein Befürworter des sinngemäßen Übersetzens, schrieb in dem heute unter dem Titel „Über die beste Art zu übersetzen“ bekannten Brief Folgendes: „Ich gestehe und bekenne mit allem Freimut, dass ich bei der Übersetzung griechischer Texte, abgesehen von den heiligen Schriften, wo selbst die Anordnung der Worte ein Geheimnis ist, nicht Wort für Wort, sondern sinngemäß übertrage.“

Erst im Klassizismus kam es wieder zur zieltextorientierten Wende; Übersetzer begannen „das Geschriebene zu verändern, falls das Original drohte auf die Empfindlichkeit der Leser zu stoßen“ (Movrin 2010: 109). Nicolas Perrot d’Ablancourt schrieb im Vorwort zu seiner Lukian Übersetzung z.B. Folgendes: „Anstatt für das, was der Autor sagte, habe ich mich für das entschieden, was gesagt werden müsste oder was ich selber sagen würde“ ([1654] 2010: 251). Schon in der Romantik wurde jedoch das Fremde in der Literatur wieder als etwas Positives angesehen in deshalb hat man Werke beim Übersetzen nicht mehr an die Erwartungen der Zielkultur angepasst (Movrin 2010: 135–136).

Es scheint also, dass sich die dominanten Übersetzungsstrategien durch die Jahrhunderte zyklisch abwechseln. Und in welcher Phase befindet sich das heutige Übersetzen?

von Janko Trupej

Literatur

Cicero, Marcus Tullius, n.d.: On the Best Style of Orators. <http://www.classicpersuasion.org/pw/cicero/cicero-best-style.htm> (10. 8. 2014).

d’Ablancourt, Nicolas Perrot, 2013: Posvetilo k nezvesti lepotici. In: Movrin, David, 2010: Fidus interpres = Zvest prevajalec: slike iz dveh tisočletij zgodovine prevajanja, (Zbirka Studia translatoria, 2). Ljubljana: Založba ZRC, ZRC SAZU/Znanstvena založba FF. 247–253.

Hieronymus, Sophronius Eusebius, n.d.: An Pammachius: Über die beste Art zu übersetzen. <http://www.unifr.ch/bkv/kapitel3348-5.htm> (10. 8. 2014).

Movrin, David, 2010: Fidus interpres = Zvest prevajalec: slike iz dveh tisočletij zgodovine prevajanja, (Zbirka Studia translatoria, 2). Ljubljana: Založba ZRC, ZRC SAZU/Znanstvena založba FF.

Nietzsche, Friedrich, n.d.: Die fröhliche Wissenschaft. <http://www.nietzschesource.org/#eKGWB/FW> (10. 8. 2014)

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