Tim Burton in Prag

14. 8. 2014

12_Tim Burton-AusstellungSind Tim Burton’s Filme ein Teil der populären Massenkultur oder nicht? Nein doch. Ja klar. Jein. Wer ist Tim Burton? Der Name ist nicht allen bekannt. Aber wer kennt nicht den Batman? Doch wer kennt seinen Vincent? Und seine Zeichnungen, seine Phantasiewelt, seine unverwirklichten Projekte?

Es tut mir leid, dass ich hier über etwas berichte, das sich außerhalb unseres Länderachtecks abspielt, ja, sogar über eine Ausstellung eines Mannes aus den „bösen“ USA, die mit unserer Übersetzungsproblematik auf den ersten Blick nur wenig zu tun hat … Aber ehrlich gesagt, ich kann nicht anders. Ich liebe ihn nämlich bzw. ich liebe seine Kunst: seine Phantasie, seine Horrormärchenmotive (in dieser Reihenfolge), das Schauerliche, das sich derart mit Lustigem vermischt, dass man vergisst, sich zu fürchten. „Corp’s Bride“ oder die „Nightmare before Christmas“… und der eher unbekannte „Vincent“. Das ist für mich Tim Burton. Dass er auch der Regisseur von „Batman“ war, habe ich erst dank der Ausstellung erfahren und war ein wenig verwundert. Vielleicht sogar ein wenig enttäuscht? Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich diesen Batman überhaupt gesehen habe.

Aber zu der Ausstellung: Also – die ist jetzt leider schon vorbei. Nachdem sie am 28.03.2014 feierlich eröffnet und am 03.08.2014 trotz herbeiströmender Schaulustiger nicht nur aus ganz Tschechien, sondern wortwörtlich aus der ganzen Welt, wieder geschlossen wurde, kann man nur noch hoffen, dass sie bald auch in einer anderen europäischen Stadt gezeigt wird. Schön war sie. Amüsant war sie. Man konnte sich alle Kino- sowie Kurzfilme von Burton im Ausstellungskino anschauen, man konnte sich auf ein Riesenkissen werfen und ein bisschen von dem ganzen Herumstehen verschnaufen, aber vor allem: man konnte ein wenig die Art und Weise des Schaffens dieses Autoren erfahren. Wie entstehen seine Figuren? Wie entwickeln sie sich? Glaubt mir, die sind durchaus realitätsbezogen. Egal ob die tote Braut oder irgendeine nur so im Zug illustrierte Frauenfigur – die Handschrift des Meisters erkennt man auf den ersten Blick. Wenn ihr irgendwann mal in ferner Zukunft die Möglichkeit habt, euch die Ausstellung anzusehen, zaudert nicht lange. Punkt.

Kommen wir aber zu der Übersetzungsproblematik oder anders ausgedrückt: zu den offenen Fragen:

Übersetzt man in eurem Land normalerweise die Filmtitel? Und wie heißt dann z.B. „Corp’s Bride“ und „Nightmare before Christmas“ in eurer Sprache? In Tschechien (zum Glück) schon, und sie heißen so: „Mrtvá nevěsta“ und „Noční můra před Vánoci“.

Wie heißt in eurer Sprache der kleine (tote) Hund von Victor (dem Lebendigen im Reich der Toten) in der „Mrtvá nevěsta“? Bei uns ist es Kosťa (abgeleitet von Knochen, nicht Konstantin).

Und eine Frage zum Schluss – knacken wir auch noch diese Nuss?: Tim Burton hat sich unter anderem mit Illustrationen von „grausamen“ Sprichwörtern abgegeben. Eine Illustration lege ich (abfotografiert vom Ausstellungskatalog in der Hoffnung, dass man das darf) bei.
12_AusstellungsfotoDie Beschreibung dazu lautet: „Tongue Twister“. Hm, da kommen wir mit dem Tschechischen jazykolam oder dem deutschen Zungenbrecher auch nicht voran. Und wie würde man in euren Sprachen ein Bild von Mann und Frau überschreiben, die, mit dem Rücken aneinander angelehnt, blutige Hände in ihren eigenen Händen halten? „They like to hold their hands“, lautet die Überschrift auf Englisch. Das war einfach (für die Tschechen): Rádi se drží za ruce. Was aber mit einem scheinbar Augenlosen anfangen, dessen Augen bequem auf Liegestühlen liegen, mit einem Cocktail in den Händen?: „He’s giving his eyes a rest“. Aha?

Soweit, so gut. Verzeiht mir diese amerikanische Abschweifung, die (zumindest für mich) mit Amerika an sich überhaupt nichts zu tun hat. (Außerdem ist der Burton mit einer Britin verheiratet.) Ich freue mich auf eure Übersetzungsvorschläge in sechs Sprachen.

Und sollte dies nur eine leichte Sommerübung sein! Sei es uns gegönnt. Ich wünsche euch auch weiterhin einen erholsamen Sommer!

P.S. Habt ihr Tipps auf interessante Ausstellungen (egal wo?)

von Petra Grycová

 

Ein Wassertropfen sein

12. 8. 2014

Wenn ich wieder einmal bei einem Wort steckenbleibe, maile ich meiner guten Freundin Ljudmyla, die in Berlin sitzt und das gleiche macht wie ich: Texte über die ukrainische Revolution ins Deutsche übersetzen und dabei versuchen, so wenig wie möglich „verdrehbare“ Wörter zu verwenden. Oft sind es Kleinigkeiten an denen wir lange aufgehalten werden und die den Lesern später vielleicht gar nicht auffallen, aber wir wollen absichtlich nicht die gleiche Leier reproduzieren, die man so oft zu lesen und hören kriegt: Ex-Sowjetrepublik, das Land am Rand, Grenzland, zerrissen/gespalten zwischen zwei „Mächten“, usw. Warum kann man nicht einfach Ukraine sagen? Dieses krampfhafte Vermeiden von Wortwiederholungen und Herumreiten auf der Etymologie finde ich störend. Wenn man von Österreich schreibt, versucht man auch nicht so gut es geht das Wort „Österreich“ zu vermeiden und sucht nach Alternativen wie Ex-Ständestaat, das Reich im Osten, das Land ohne Meer, obwohl mir Alpenrepublik ja doch immer wieder unterkommt. Heinz Fischer ist der Bundespräsident Österreichs, Petro Poroschenko wahlweise Präsident oder Schokoladenkönig, passend dazu: die Gasprinzessin.

Für mich ist es auch eine Form von Protest, über den Protest – und ich spreche hier über die ukrainische Revolution, weil ich eine andere noch nicht erlebt habe – nicht mit den üblichen Bildern und Wörtern zu erzählen. Dabei meine ich nicht nur das tatsächliche Übersetzen von Texten in schriftlicher Form, sondern auch das Sprechen über die politischen Ereignisse in der Ukraine. Ich verstehe die Medien vor Ort und sehe mich mehr oder weniger dazu angehalten, zu sagen, was ich da lese und höre. Ich empfände es beinahe als Verrat meinen ukrainischen Freunden gegenüber, wenn ich ihren Kampf zur Kenntnis nähme, ihn aber für mich behielte. Daher finde ich es in so turbulenten Zeiten vor allem wichtig, Übersetzungen abseits von Papier und Webseiten anzubieten und den Menschen in meiner Umgebung die verschiedenen Stimmen der Revolution näherzubringen.

Als sich vor Kurzem eine Freundin für die Ausstellung „I am a drop in the ocean – Art of the Ukrainian Revolution“ in Wien interessierte, bin ich begeistert mitgelaufen und habe ihr jeden Slogan, jedes Stencil und die Symbolik erklärt und mich dabei wirklich wie ein Tropfen im Ozean gefühlt.

von Nina Hawrylow

Svět knihy, die Prager Buchmesse

12. 7. 2014

Vom 15.05. bis zum 18.05. 2014 fand in Prag die Buchmesse Svět knihy auf dem Messegelände in Holešovice statt. Ein Großereignis, ein Literaturfestival mit reichem Rahmenprogramm, sowohl vor Ort im Industriepalast als auch im gesamten Stadtgebiet. Auftaktveranstaltung am Vorabend der Buchmesse war die Nacht der Literatur – Noc literatury. Hier standen ausländische, ins Tschechische übersetzte Titel im Mittelpunkt, die in diesem Jahr in Prag-Žižkov an besonderen Orten von Schauspielern vorgetragen wurden: Neben Kultkneipen und Restaurants wurde Literatur etwa im Jára-Cimrman-Theater oder im Bunker Parukářka gelesen. Eine besondere Kulisse bot das Viktoria Žižkov-Stadion, hier gab es einen Auszug aus Kapesní atlas žen (Kieszonkowy atlas kobiet, übersetzt von Martina Bořilová, Bára Gregorová, Jan Jeništa und Lucie Zakopalová; erschienen bei fra)  von Sylwia Chutnik zu hören, mit Blick auf die riesige leere Rasenfläche, die dahinter liegende schnöde Kehrseite der Žižkover Wohnhäuser, in denen auch Chutniks Figuren leben könnten, den erleuchteten  Fernsehturm – und über allem schien klar der Vollmond.

Gastland der diesjährigen Prager Buchmesse war Ungarn, dessen einladender Stand sich unübersehbar in der Mitte des großen Saales befand. Passenderweise erhielt das Buch Harmonia Caelestis von Péter Eszterházy die diesjährige Magnesia Litera für das beste übersetzte Buch (Übersetzung von Robert Svoboda, erschienen bei Academia). Dieser renommierte Preis wird in verschiedenen Kategorien verliehen und würdigt die besondere literarische Qualität der ausgezeichneten Bücher. Das Jahr 2014 steht im Zeichen des hundertjährigen Geburtstages von Bohumil Hrabal, dem auch während der Buchmesse eine Reihe von Veranstaltungen gewidmet war. Erwähnenswerte Stationen der diesjährigen Svět knihy war weiterhin die Ausstellung Didasko – učím slovem a obrazem. Aus Mangel an aus ihrer Sicht geeignetem pädagogischem Material gestaltete Božena Havlová in den 1940-er Jahren für ihre Söhne Ivan und Václav zweierlei Sammlungen von Bildern und Collagen: eine zum Alphabet (Abeceda) und eine zum Allgemeinwissen (Věda). Einige der ästhetisch ansprechendnen Tableaus waren im literarní sál im rechten Flügel zu sehen. Ebenfalls etwas fürs Auge sind die von Jiří Trnka illustrierten wieder und z.T. neu aufgelegten Bücher des Verlages STUDIO trnka – von Klassikern wie Míša Kulička und Broučci bis hin zu thematisch zusammengestellten Sammlungen von Kinderreimen und Sprüchen. Und schließlich die Antiquariats-Ecke. Im hintersten Winkel des linken Flügels gab es mehrere Regalwände voll mit „alten Schätzchen“, und zwar mit allem, was das bibliophile Herz begehrt: Vergriffenes, Zerlesenes, Kultiges, Vergessenes. Allein dafür muss der Besucher einen halben Tag einplanen!

Ausgezeichnetes und Neues

Sowohl im Vorfeld der Svět knihy als auch an den Messetagen selbst wurden einige angesehene Buchpreise verliehen. Neben der Magnesia Litera sei der Jiří Orten-Preis für junge Autoren unter 30 Jahren erwähnt oder die Auszeichnung Česká kniha, die besonders in Hinblick auf eine Vermarktung im Ausland auf erfolgsverheißende Bücher aufmerksam machen will. Hier eine Auswahl an Titeln, die bereits von sich reden gemacht haben oder die in anderer Weise aufgefallen sind:

Skutečná událost ([Eine wahre Begebenheit] erschienen bei Argo) von Emil Hakl erhielt die diesjährige Magnesia Litera in der Kategorie Prosa: Das eintönige Leben des Helden erhält neue Impulse durch die neue Bekanntschaft mit einer Frau, gleichzeitig durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte der RAF. Beide Motive verflechten sich miteinander, aus seinem empfundenen totalen Frust über die ihn umgebende Gesellschaft gelangt der Held an den Punkt, wo es für ihn nötig wird zu handeln. Hakl (geb. 1958) ist einer der erfolgreichsten tschechischen Autoren der Gegenwart, sein neustes Buch Hovězí kostky [Rindswürfel], Erzählungen, die Hakl zwischen 1986 und 2014 geschrieben hat, ist gerade bei Argo erschienen.

Ebenfalls ein prämierter Prosatitel ist Dějiny světla ([Geschichte des Lichts] Česká kniha 2014; erschienen bei Host) von Jan Němec (geb. 1981). Es geht um das Leben und Wirken des bedeutenden tschechischen Fotografen František Drtikol (1883-1961), der sich etwa ab den 1930-er Jahren den fernöstlichen Philosophien widmete und sowohl deren Standartwerke übersetzte als auch zu den ersten tschechischen Buddhisten zählt – von der Suche nach dem Licht der Bilder zur Suche nach dem Licht der Erkenntnis. Die eher ungewöhnliche Erzählform in der zweiten Person über 486 Seiten fügt sich gut in den Erzählstil, abgerundet wird alles durch den wohl recherchierten komplexen historischen, philosophischen und technischen Hintergrund.

Das Erstlingswerk von Jakub Dotlačil (geb. 1979) Jiné životy Hynka Harra [Die anderen Leben des Hynek Harr] ist erst kürzlich bei Host erschienen: Prag in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es ist die Zeit der nationalen Wiedergeburt, tschechische Gesellschaften und Kreise schießen wie Pilze aus dem Boden. Der Titelheld, der bis dato ein unaufregendes bürgerliches Dasein als Lehrer in Erwartung seiner baldigen Vermählung führt, gerät zufällig in eine Sitzung der Ersten böhmischen parapsychologischen Gesellschaft, wodurch sein Leben eine unerwartete Entwicklung nimmt. Als telepathisches Medium wird er zu einer wichtigen Figur der preußisch-österreichischen Diplomatie, bis der Konflikt zum Krieg wird. Zu diesem reizvollen Sujet gesellt sich eine neutrale aber pointierte und gleichzeitig unorthodox moderne Sprache.

Žena lamželezo a polykač ohně [Die Eisenbiegerin und der Feuerschlucker] von Stanislav Beran (geb. 1977) ist ebenfalls bei Host erschienen und wurde für die Česká kniha nominiert. In seinem Erzählband nimmt der Autor „Bodenproben aus dem Leben unserer Gegenwart“ (Kopáč, Šofar), namentlich beschreibt er in düstersten Farben episodenhaft Land und Leute in Nordböhmen. Der Leser erhält jeweils einen kurzen aber intensiven Eindruck aus dem Leben von gebrochenen und gleichzeitig erstaunlich zählebigen Existenzen: angespannte zwischenmenschliche Beziehungen, Abrechnung mit der Vergangenheit, Schicksalsschläge. Gerade durch die Einfachheit in Sprache und Darstellung von Situationen und Helden wird die Handlung der einzelnen Episoden stark in Szene gesetzt.

Das Erstlingswerk von Jonáš Zbořil (geb. 1988), der Gedichtband Podolí ([Podolí] erschienen bei Host),  wurde von der Jury der Litera Magnesia mit folgender Begründung für die Kathegorie objev roku nominiert:  Jonáš Zbořil  habe einen Text geschrieben, der nur einmal im Leben gelinge. Es geht um Erwachsenwerden und Tod, Verarbeitung des Verlustes eines nahestendenen Menschen, Erinnerungen an Prag und gemeinsam Erlebtes. Das Leitgedicht Bazén v Podolích (in Prag-Podolí befindet sich das größte Schwimmbad der Stadt) vereint diese Momente sowie das Wasser und die Bewegung darin als zentrales Motiv: eintauchen, untertauchen und wieder daraus hervorgehen. Form und Sprache der Gedichte bleiben dabei schlicht und bisweilen prosaisch.  Für Podolí erhielt Jonáš Zbořil den diesjährigen Jiří Orten-Preis.

Kateřina Rudčenková (geb. 1976) hat bereits mehrere Gedichtbände veröffentlicht und zählt zu den allseits anerkannten lyrischen Stimmen in Tschechien. In diesem Jahr erhielt sie für Chůze po dunách ([Gang über Dünen] erschienen bei fra) die Magnesia Litera in der Kathegorie Poesie. Der Gang über die Dünen meint metaphorisch den Gang durch das Leben, über nachgebenden Sand und sich ständig  neu formende Dünen. Die Gedichte erzählen von ebensolchen, für das Leben typischen Momenten –  Erwartung der Erfüllung und daraus resultierende Enttäuschung oder aber auch Erleichterung über entlarvte Illusion. Neben der abstrakt-philospohischen Ebene gibt auch konkretes, durch eine sehr rhythmische und klangvolle Sprache zum Ausdruck gebrachtes, sinnliches Erleben, etwa auch durch die auffällig häufige Nennung von Farben.

Zum seinem Hundertjährigen wurden nicht nur sämtliche Werke Bohumil Hrabals (1914-1997) bei Mladá fronta neu aufgelegt, es erschienen auch Bücher über diesen Jahrhundertautor der tschechischen Literatur. Eines ist Hlučná samota ([Laute Einsamkeit] kürzlich erschienen bei Mladá fronta) von Petr Kotyk/ Světlana Kotyková/ Tomáš Pavlíček. Eine Erzählchronik, im wahrsten Sinne des Wortes von Format, die dem Leser anhand von zahlreichen Fotos und Dokumenten das Leben und den Menschen Hrabal näher bringt und durch Textauszüge gleichzeitig einen Eindruck von seinen bekannten aber auch weniger bekannten Werken vermittelt.

David Böhm (Illustrationen) / Ondřej Buddeus (Text): Hlava v hlavě ([Kopf im Kopf] erschienen bei Labyrint) erhielt die diesjährige Litera Magnesia in der Kathegorie Kinder- und Jugendliteratur. In diesem Buch geht es um Köpfe: Betrachtet unter den verschiedesten Aspekten, von naturwissenschaftlich- anatomisch bis hin zu phantasievollen Spielereien mit Formen und Bezeichnungen, jeweils immer ansprechend und geistreich von David Böhm illustriert und mit zahlreichen „Extras“ versehen, die ein völlig neuartiges Leseerlebnis garantieren.

von Daniela Pusch

Stimmen vom Maidan: „Ich kämpfe für die Wahrheit!“

5. 7. 2014

„Ich kämpfe für die Wahrheit!“
Stimmen vom Maidan

Der Übersetzer ist immer ein Vermittler, er steht immer dazwischen, er befindet sich inmitten zweier Kontexte und ist befähigt, den Sinn der beiden zu verstehen. Übersetzend öffnet er die Tür zum Unbekannten, vermittelt das Unverständliche und nähert das Fernliegende an. Das betrifft nicht nur das Übersetzen von Texten der schöngeistigen Literatur, sondern vor allem von Texten mit politischem Inhalt, die in den Zeiten der labilen politischen Bedingungen, der Unruhe, der Veränderungen und der Revolutionen verfasst werden, in den Zeiten des Kampfes, einschließlich des Kampfes gegen Propaganda, Verfälschung und Verdrehung, was wir in letzter Zeit in der Ukraine erleben. Leider hat man oft mit Informationen zu tun, die nur auf Annahmen und Spekulationen beruhen, aber stets als Wahrheit dargestellt werden. Solch kontroverse Angaben irritieren die Menschen und sie wissen nicht mehr, woran sie glauben können. Unter diesen Bedingungen spielt die Vermittlung der wahren Informationen nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Landes eine wichtige Rolle. Diese Aufgabe übernehmen die ukrainischen Intellektuellen, indem sie offene Briefe an die europäische Gemeinschaft verfassen, dem Ausland Besuche abstatten und Interviews geben mit dem Ziel, die wahre Situation in der Ukraine darzustellen, sie zu erklären und ein differenziertes Bild der aktuellen Ereignisse aufzuzeigen. Durch ihre Tätigkeit nehmen die Übersetzer zusammen mit ukrainischen Intellektuellen am Informationskampf teil, indem sie zur Bekämpfung der Mythen beitragen, die aufgrund der Missverständnisse entstehen. Sie übersetzen nicht die bloßen Worte, sie vermitteln den Sinn. Auf diese Weise ermöglichen sie den Stimmen aus der Ukraine, Gehör in der Welt zu finden. Dadurch wird die Kommunikation ermöglicht, der Dialog geführt, die Fragen  gestellt und die Antworten gegeben. Dies fördert die Wahrnehmung, die Verständigung und Unterstützung, die in diesen Zeiten für die Ukraine so wichtig sind.

 von Olga-Daryna Drachuk

Übersetzen kann doch jeder, oder?!

1. 7. 2014

Als junge angehende Übersetzerin bin ich ständig mit Vorurteilen über ÜbersetzerInnen und über das Übersetzen konfrontiert. Generell teile ich die (von mir) so genannten Nichtübersetzer in zwei Gruppen ein.

Zur ersten Gruppe gehören Menschen, die keine ausgebildeten ÜbersetzerInnen sind und die sich auch nie im Leben mit dem Übersetzen beschäftigt haben. Von ihnen höre ich immer dieselben Fragen: »Bedeutet das, dass du ganze Wörterbücher auswendig kannst? Sag mal, wie heißt »[beliebiges Wort einsetzen]« auf Deutsch/Englisch/[beliebige Sprache einsetzen]?« Und manchmal folgen solchen Fragen noch aufdringliche Bitten im Sinne von »Könntest du mir vielleicht diese zwei Seiten ganz schnell übersetzen? Das muss nicht genau gemacht werden, nur so, ganz schnell.« Natürlich denken sie im Traum nicht daran, mir für diese »ganz schnelle« Übersetzung auch nur einen einzigen Cent zu bezahlen. Ihrer Meinung nach braucht man für eine zweiseitige Übersetzung »so ungefähr dreißig Minuten«. Und eine halbe Stunde würde ich doch gerne opfern, um ihnen diesen Gefallen zu erweisen. Dabei wird deutlich, dass sie weder mir noch meinem Beruf gegenüber Respekt zollen.

Zur zweiten Gruppe gehören Menschen, deren Meinung nach man als Übersetzer nur den Ausgangstext verstehen muss. Solche Menschen bitten mich erst dann um Hilfe, wenn ihre Übersetzung von jemandem (meistens ist es ihr Professor) abgelehnt wird, weil sie einfach nicht verständlich ist. Diese Typen von Nichtübersetzern wissen zwar, dass man zwei Seiten nie in dreißig Minuten übersetzen kann, sie denken jedoch, dass man eine schlechte zweiseitige Übersetzung in dreißig Minuten in eine gute verwandeln kann.

Mein Vorschlag für die Nichtübersetzer aus der ersten Gruppe wäre, ein kleines Experiment durchzuführen, in dem sie einen mittelschweren Text mit vierzig Wörtern übersetzen. Dasselbe Experiment machte ich vor kurzem mit meiner Schwester, die natürlich keine Übersetzerin ist, die aber im Fremd- und Muttersprachenunterricht immer eine ausgezeichnete Schülerin war. Am Ende stellte sie erstaunt fest, dass man sehr viel Zeit braucht, um einen so kurzen Text zu übersetzen – sie brauchte zwanzig Minuten.

Und mein Vorschlag für die Nichtübersetzer aus der zweiten Gruppe lautet: Wenn es so leicht ist, aus einer schlechten eine gute Übersetzung zu zaubern, dann tun Sie es doch selbst. Dabei passen Sie aber auf, dass sie nicht mehr als fünfzehn Minuten pro Seite brauchen.

von Ana Dejanović

Kunst

23. 6. 2014

KUNST

„Bisch sicher, wotsch du da wirklich hiego?“

„Ich habs versprochen. Außerdem, vielleicht ist es wirklich ganz gut.“

„Fangts do aa?!“

„Keine Ahnung, von wem das ist… Komischer Titel: ‘Was alles in einem jüdischen Museum vorhanden sein sollte’… Da, diese Zeichnungen, das ist die Antwort.“

„Also, weisch, das isch das Szenario, das i dir vorher usgmoolet han, nu spannender.“

„Hm. Komm, ich bekomme hier Kopfweh.“

„Ich mag Collagen. Da, das ist nicht schlecht.“

„Ja, aber das hät mr i dä Mode scho vor füfzg Johr gmacht.“

„Die ist auch gut.“

„Nojo, das hät halt irged so ä Schuelklass gmacht.“

„Unsinn. Das sind renommierte Künstler.“

„Wohrschinlich…“

„Sicher. Sonst würden die ja nicht hier hängen.“

„So. Wars das?“

„Jetzt nach oben.“

„Was ist das?“

„Kei Ahnig.“

„Das sind unterschiedliche Bilder. Was soll das?“

„Ach.“

„Do isch nüüt.“

„Mir gefällt das aber. Ich mag Klanginstallationen.“

„Lueg amol döt, dä cha wenigschdens mole. Dä isch richtig guet!“

„Schau mal, die Perspektive. Die gebogenen Balken. Sehr gut.“

„Achtung! Da hat jemand Rohre liegen lassen.“

„Stimmt, han i gar nöd  gseh.“

„Aha.“

„Do hät ein kaputti Campingzelt anegschtellt. Und döt hanget no eis.“

„Tatsächlich. Hübsch.“

Und was isch das?“

„Das kann man mitnehmen. Schau: „Wer Interesse hat, einen Rucksack mitzunehmen und den Inhalt in der Öffentlichkeit zu benutzen, soll sich bei der Information melden.’“

„Mir gfallt dää döt…“

„Was, das Werkzeug? Nee, ich würde den mit der Trommel nehmen. Blechtrommel…“

„Die Frage ist schon: Ist das alles, was die deutsche Kunst zu bieten hat? Und ist das repräsentativ?“

„Ah lueg: dä hät irgendweli Bilder us äm Internet gholt.“

„Hörst du? Eine Klanginstallation.“

„Schöni Ussicht us äm Fenster.“

„Ja, stimmt.“

„Da chöntäd mer i dr Sunne än Kaffi trinke.“

„Tschilp, zwizwitsch,tschwitschwizwitschilp.“

„Oje, na du, was machst du hier? Nicht einmal Sand haben sie dir gegeben. Und allein bist du auch noch.“

„Tschwizwizwitschzwitsch.“

„Jaja. Tschilpzwipschpschitzwiltschipzwitsch.“

„Tschilp. Zwitschipziptschwiztschiptschilp.“

„Ist das Kunst?“

„Dass do dä Tierschutz nöd chunnt. Aber vielicht gits das do gar nöd.“

„Doch, ich glaube schon.“

Kunst – was ist das?

Für die, die nichts verstanden haben: macht nichts. Die Dialoge wurden im Rahmen eines Besuchs der Ausstellung Czas przyszły dokonany. Współczesna sztuka z Niemiec (dt: Vollendete Zukunft. Zeitgenössische Kunst aus Deutschland) in Warschau geführt. Man bemüht sich ja um gute nachbarschaftliche Beziehungen. Und ich habe auch nichts gegen zeitgenössische Kunst. Ich verstehe sie nur nicht immer. Und vielleicht ist das auch gar nicht nötig.

von Marlena Breuer

Katja Petrowskaja:Vielleicht Esther

14. 6. 2014

Die Bachmann-Preisträgerin 2013 Katja Petrowskaja erzählt in “Vielleicht Esther” die eigene Familiengeschichte – und schafft ein herrliches Panorama des 20. Jahrhunderts.

“Vielleicht Esther” von der in der Ukraine geborenen Schriftstellerin Katja Petrowskaja ist ein Werk, das weder mit den literarischen Formalitäten überfrachtet ist noch mit dem überflüssigen  historischen Exkurs. Die Geschichte fängt in der Gegenwart an, in der die Erzählerin Katja Petrowskaja sich von Berlin nach Warschau versetzt, um dem Leben ihrer Ahnen nachzuspüren. Das war die Zeit des Massenmords, der Kriege und Deportationen (ihre beiden Großmütter waren Jüdinnen). Finsterer Kulminationspunkt ist das titelgebende Kapitel “Vielleicht Esther”: die Erzählung vom Schicksal der Urgroßmutter. Zu altersschwach für die Flucht vor der heranrückenden Wehrmacht, bleibt sie im September 1941 in ihrer Wohnung in Kiew. Dann werden die Juden Kiews aufgefordert, sich bei Babi Jar einzufinden. Hier töten die Deutschen innerhalb von zwei Tagen mehr als 33.000 Menschen.

Katja Petrowskaja lebt seit langem in Berlin, spricht und schreibt deutsch, im Roman verknüpft sie leichthändig Szenen aus Polen, aus der Ukraine, Deutschland, Österreich und Russland und schafft eine innere, grenzüberschreitende Erzählung über die Verbrechen des 20. Jahrhunderts.

Interview mit Katja Petrowskaja finden Sie hier.

Quellen: zeit.de, spiegel.de

Zusammengefasst von Valentyna Bilokrynytska

Die Buchreihe „Slowenische Bibliothek“

12. 5. 2014

Am 6. Mai 2014 wurde im Slowenischen Lesesaal der Steiermärkischen Landesbibliothek in Graz die Buchreihe „Slowenische Bibliothek“ vorgestellt. Nach der Präsentation des Projekts durch den Initiator und Herausgeber der Reihe Erwin Köstler lasen Daniela Kocmut und Aleksander Studen-Kirchner aus ihren Übersetzungen.

Mit dieser Reihe werden dem Publikum im deutschsprachigen Raum noch unbekannte slowenische Autoren und Prosawerke zugänglich gemacht. Darüber hinaus ist jeder Band mit einem Nachwort versehen, in welchem der Leser Anregungen für die weitere Verankerung des Werkes im kulturhistorischen Kontext findet.

Ein umfangreiches Interview mit dem renommierten Übersetzer Erwin Köstler und ausführlichere Informationen zur Entstehung des Projekts „Slowenische Bibliothek“ gibt es ab Juni 2014 im Rahmen der TransStar-Reihe „Übersetzer des Monats“ nachzulesen.

Mehr Informationen zur Buchreihe: http://www.wieser-verlag.com/reihe/slowenische-bibliothek/

Hier finden Sie einige Fotos.

 von Daniela Trieb

Der Erwartungshorizont und das Übersetzen

26. 4. 2014

Die Literaturtheorie befasste sich lange vor allem mit Texten und deren Autoren. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben aber einige Theoretiker, z.B. Wolfgang Iser, Hans Robert Jauß, Roland Barthes u. a. den Leser in den Vordergrund gestellt. Sie gingen davon aus, dass ein Text keine ständige bzw. bestimmbare Bedeutung hat, sondern dass sich diese immer in Interaktion mit dem Leser herausbildet. Weil sich Normen, Konventionen und ästhetische Kriterien in verschiedenen Epochen und Kulturen stark voneinander unterscheiden können, und deshalb auch die Erwartungshorizonte der Leser verschieden sind, kann ein Werk auch verschieden interpretiert werden. Werke, die zu einem Zeitpunkt den Erwartungshorizont zu weit überschreiten, werden oft kritisiert oder übersehen. Ist jedoch ein solches Werk erfolgreich, kann es den Erwartungshorizont der Leser verändern, wie Hans Robert Jauß in seiner Monographie Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik (1984) feststellt.

Auch ein Übersetzer ist am Anfang „nur“ ein Leser, seine Interpretation kann aber die Interpretationen der anderen Leser in der Zielkultur beeinflussen. Aufgrund seiner Interpretation entscheidet sich der Übersetzer nämlich für eine bestimmte Übersetzungsstrategie. Falls innovative oder provokative Elemente des Originals in der Übersetzung verloren gehen, kann das bewirken, dass die Interpretationsmöglichkeiten des Werkes eingeschränkt werden, und das beeinflusst wiederum die Rezeption. Werke, die potentiell den Erwartungshorizont der Zielleser zu weit überschreiten würden, werden bei der Übersetzung oft absichtlich angepasst; in dem Zusammenhang kann man auch von Manipulation reden.

 von Janko Trupej

Folke Tegetthoff zu Gast in Celje

23. 3. 2014

Am 20. März 2013, dem Vorabend des Welttages der Poesie, lud das Haus der Kultur Celje zum traditionellen „Abend des Wortes, der Bewegung und der Musik“ ein, der in dem Großen Saal des Nationalhauses Celje stattfand.  Der Leitfaden der diesjährigen Veranstaltung war das Werk des Österreichischen Märchendichters Folke Tegetthoff, der zu diesem Anlass nach Celje angereist ist. Fünf seiner Märchen (Weiß, Tausend Spiegel, Die Löffel, Dill, Der Engel von Piran) wurden in mitten einer bildhaften Kulisse von den Schülern des Gymnasiums Celje-Center und der II. Grundschule Celje inszeniert – durch Tanz, Gesang und Rezitationen. Die jungen Interpreten wurden von dem Männerchor des Gymnasiums Celje-Center sowie drei Gästen von der Landesmusikschule Bad Ischl begleitet und der zum Platzen volle Saal hat allen Performern begeistert applaudiert. Nach der Vorstellung wurde der Ehrengast auf die Bühne gebeten und er erzählte dem Publikum, wie er dazu gekommen sei, sein Leben dem Schreiben und Erzählen von Märchen zu widmen. Vor dem Schluss der Veranstaltung haben die Organisatoren die Hoffnung geäußert, dass Herr Tegetthoff in der Zukunft wieder nach Celje kommt.

von Janko Trupej

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